9.2.9.
Schadenszufügung durch Tiere; ist die Haftung des Tierhalters davon abhängig, daß der Schaden unmittelbar durch das Tier erfolgt ist? (B.G.B. § 833.)
Tiere, Schadensersatz.
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Schadenszufügung durch Tiere; ist die Haftung des Tierhalters
davon abhängig, daß der Schaden unmittelbar durch das Tier
erfolgt ist? (B.G.B. 8 833.)
(Urt. des OLG- Dresden vom 11. April 1902. 0 III 18/02.)
Der Kläger ist in der Mittagsstunde des 10. Jan. 1901 aus -der
äußeren Crimmitschauer Straße in M. durch einen von zwei Arbeits-
pferden des Beklagten gezogenen, diesem gehörigen Rollwagen überfahren
worden und hat hierdurch einen doppelten Bruch des rechten Wadenbeins
erlitten. Er verlangt mit der Klage vom Beklagten auf Grund der Vor-
schriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über unerlaubte Handlungen in
§§ 823 ff. und insbesondere in § 833 Ersatz des ihm durch diese Körper-
verletzung entstandenen vermögensrechtlichen und nichtvermögensrechtlichen
Schadens.
Das Landgericht hat den Anspruch des Klägers dem Grunde nach
festgestellt. Die Berufung des Beklagten wurde zurückgewiesen aus folgen-
den Gründen:
1. Der Beklagte macht zunächst geltend, die Vorinstanz nehme zu
Unrecht an, daß dem Kläger die Körperverletzung, die er erlitten habe,
„durch" die Pferde des Beklagten zugefügt worden sei. Zur An-
wendung der Bestimmung in 8 833 des B.G.B. sei zu erfordern, daß die
Körperverletzung unmittelbar durch das Tier erfolgt sei. An diesem
Erforderniffe fehle es aber im vorliegenden Falle, weil der Kläger ledig-
lich dadurch am Beine verletzt worden sei, daß ein Rad oder mehrere
Räder des Wagens, den die Pferde gezogen, über das Bein hinweg-
gegangen sei, auch nicht nachgewiesen sei, daß der Kläger, bevor er unter
die Räder des Wagens geraten sei, von den Pferden zu Boden gerissen
worden sei.
Nun ist zwar dem Beklagten zuzugeben, daß es am letzteren Nach-
weise gebricht, vielmehr anzunehmen ist, der Beinbruch des Klägers sei
nicht durch eine körperliche Einwirkung der Pferde, sondern vielmehr durch
den Druck des über das Bein des Klägers hinwegfahrenden Wagens heroor-
gerufen worden. Allein die Ansicht des Beklagten, daß hieraus die Un-
anwendbarkeit der angezogenen Gesetzesvorschrift folge, kann als richtig
nicht anerkannt werden.
Die Ausdrucksweise des 8 833 des B.G.B.: „Wird .durch' ein Tier-
der Körper eines Menschen verletzt", besagt etwas weiteres nicht, als daß
das Tier den Schaden angerichtet haben müsse, daß also als Ursache des
Schadens eine Tätigkeit des Tieres vorausgesetzt werde. Über die Art
und Weise, wie der Schaden angerichtet sein müffe, spricht sich diese Ge-
setzesbestimmung nicht aus.