Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 13 (1903))

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Müller, Das Erlöschen der Prozeßvollmacht.

dem Bevollmächtigten der unteren Instanz und nicht der Partei zugestellt
werden müsse. Diese Ausführungen des Reichsgerichts treffen jetzt, nachdem
8 179 eine dem Bevollmächtigten der unteren Instanz noch günstigere
Fassung erhalten hat, als der frühere § 164, erst recht zu, und es ergibt
sich aus ihnen klar und deutlich, daß die für die erste Instanz erteilte
Vollmacht ihre Wirkung nach der passiven Seite hin nicht nur bis zur
Einlegung des Rechtsmittels, sondern sogar noch während des Verfahrens
vor der Rechtsmittelinstanz äußert.
Aber es muß nicht nur vom Gegner trotz der Beendigung der In-
stanz noch immer dem Bevollmächtigten gegenüber gehandelt werden,
sondern es bleibt auch der Bevollmächtigte seinerseits noch immer in ge-
wisser, und zwar in doppelter Beziehung zu eigenem aktiven Handeln be-
fugt, so daß selbst insofern die Ansicht des Reichsgerichts nicht zutrifft.
Einmal nämlich kann der Prozeßbevollmächtigte Prozeßhandlungen aktiven
Charakters noch in der Zeit vornehmen, die zwischen der Beendigung der
unteren und dem Beginn der oberen Instanz liegt. Denn dieser Zeitraum
kann aus praktischen und theoretischen Gründen noch nicht zu der höheren
Instanz gezählt werden, so daß dem Bevollmächtigten während dieser Zeit
insbesondere das Recht zur Stellung des Antrages aus Aussetzung oder
Ausnahme des Verfahrens und aus Sicherung des Beweises, sowie zur
Streitverkündung verbleiben muß. Indessen steht die herrschende Meinung,
und vor allem das Reichsgericht, zur Zeit , in dieser Frage noch aus dem
entgegengesetzten Standpunkte, und es soll infolgedessen an dieser Stelle
hieraus nicht näher eingegangen werden?
Dagegen wird die zweite Beziehung, in der nach dem Ende der In-
stanz noch ein aktives Handeln des Bevollmächtigten hervortritt, auch von
der herrschenden Meinung nicht bestritten werden können, ich meine die
Tätigkeit des Bevollmächtigten während der Zwangsvollstreckung. Denn
nach 8 81 ermächtigt die Prozeßvollmacht insbesondere auch zu denjenigen
Handlungen, welche durch die Zwangsvollstreckung veranlaßt werden; es
läßt in dieser Beziehung auch der Wortlaut des § 81 nicht den geringsten
Zweifel darüber zu, daß diese Handlungen als Prozeßhandlungen anzusehen
sind. In den sehr häufigen Fällen der vorläufigen Vollstreckbarkeit des
Urteils schließt sich die Vollstreckung meist unmittelbar an die Zustellung
des Urteils, also an das Ende der Instanz, an. Auch aus diesem Grunde
ist deshalb die Ansicht unhaltbar, daß mit der Beendigung der Instanz
die Befugnis des Bevollmächtigten zur Vornahme von Prozeßhandlungen
aushöre.
1 Eine ausführliche Darstellung dieser Streitfrage gibt der Aufsatz des Ver-
fassers „Zwischen den Instanzen", der in der „Zeitschr. für deutschen Civilprozeß"
erscheinen wird.

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