Müller, Das Erlöschen der Prozeßvollmacht. 151
noch ihm, und nur ihm gegenüber gehandelt werden, bis ein Prozeß-
bevollmächtigter für die höhere Instanz bestellt ist. Nach einer Richtung
hin ist die Fortdauer dieser Befugnis auch über die Beendigung der Instanz
hinaus ausdrücklich von der Civilprozeßordnung anerkannt durch die neue
Fassung des jetzigen § 179 (früher § 164): „Die Zustellung eines Schrift-
satzes, durch welche ein Rechtsmittel eingelegt wird, erfolgt an den Prozeß-
bevollmächtigten derjenigen Instanz, deren Entscheidung angefochten wird."
Schon diese Vorschrift allein spricht gegen die Auffassung des Reichsgerichts,
daß die Partei von der Beendigung der unteren Instanz bis zur Bestellung
eines Anwalts für die höhere Instanz nicht vertreten sei. Denn wenn
die Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten der unteren Instanz mit
deren Ende wirklich erloschen wäre, könnte sie durch die Einlegung des
Rechtsmittels von seiten des Gegners unmöglich wieder aufleben. Sie ist
vielmehr nach wie vor bestehen geblieben und tritt bei der ersten Handlung
des Gegners auch sofort wieder in die Erscheinung. Es kann auch nicht
davon die Rede sein, daß in § 179 lediglich eine gesetzlich normierte Zu-
stellungsvollmacht enthalten sei, die mit der Fortdauer der Prozeßvollmacht
nichts zu tun habe, denn § 179 unterscheidet sehr scharf zwischen dem
bloßen Zustellungsbevollmächtigten und dem Prozeßbevollmächtigten. Der
frühere 8 164, an dessen Stelle jetzt 8 179 getreten ist, schrieb prinzipiell
die Zustellung des Rechtsmittelschristsatzes an den Bevollmächtigten der
Rechtsmittelinstanz vor und ließ nur in Ermanglung eines solchen die
Zustellung an den Bevollmächtigten der unteren Instanz zu. Aber schon
unter der Herrschaft dieses 8 164 hat sich der II. Senat des Reichsgerichts
in dem in Bd. 8 S. 425 abgedruckten Urteil dahin ausgesprochen, daß sich
aus dessen Wortlaut und Sinn in Verbindung mit 8 77 (jetzt 8 81) der
C.P.O. ergebe, „daß die Vollmacht des Bevollmächtigten der unteren Instanz
keineswegs mit Erlaß und Zustellung des Endurteils erlischt, vielmehr
auch nachher noch wirksam ist und nur so weit und so lange suspendiert
bleibt, als die Tätigkeit des Bevollmächtigten der höheren Instanz Platz
greift." Es wird in dem gedachten Urteil sodann hieraus und „aus den
allgemeinen, den Prozeß im ganzen beherrschenden Prinzipien" der Schluß
gezogen, daß das in der höheren Instanz ergehende Versäumnisurteil nicht
der Partei persönlich, sondern ihrem, sei es auch nur für die untere Instanz
bestellten Prozeßbevollmächtigten zuzustellen ist. Es wird weiter zur Unter-
stützung dieser Ansicht in dem Urteil darauf hingewiesen, daß der Fall
offenbar ganz ähnlich sei dem des 8 300 (jetzt 8 335) Abs. 1 und 8 302
(jetzt 8 337), in dem es sich um die Wiedervorladung der in der höheren
Instanz nicht erschienenen Partei zu einem neuen Termine handelt. In
diesem Falle könne es keinem Zweifel unterliegen, daß die Ladung, ebenso
wie der die Ladung zum ersten Termin enthaltende Rechtsmittelschristsatz