Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 15 (1855))

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Wilda:

nicht entgehen; aber fast ganz unbeachtet ist es bisher geblieben,
daß das longobardische Volksrecht, das einzige, welches bei
seiner größer» Vollständigkeit und Ausführlichkeit über Familien-
Verhältniste, der unechten Kinder („liberi naturales“) mehrfach und
ausführlich erwähnt, mit den nordischen Rechten im Wesentlichen
übereinftimmt, und jene in erbrechtlicher Beziehung selbst günstiger
stellt als in manchen der nordischen Rechtsquellen der Fall ist. Der
Gegenstand, der auch in den scandinavischen Landen keinen Bear-
beiter gefunden, welcher das, was die besonders reichen norwegi-
schen Rechtsquellen, sowie die schwedischen und dänischen enthalten,
gleichmäßig beachtet hätte, ist daher auch für die deutsche Rechts-
und Sittengeschichte wichtig genug, um für einige Zeit unsere Auf-
merksamkeit in Anspruch zu nehmen.

8. 2.
Es wäre wohl möglich und es könnte nach den traditionell
gewordenen Ansichten und Vorstellungen nicht überraschen, daß
man unsere ganze Auffassung der Sache gleich von vorn herein als
eine irrige bezeichnete und behauptete, daß jener angedeutete Wi-
derstreit der germanischen Rechtsquellen gar nicht vorhanden sei,
indem die einen von außerehelichen Kindern sprächen, die anderen
aber, von solchen, die aus einer nicht vollwirksamen Ehe, aus ei-
nem Concubinat, entsprungen seien. Dem müssen wir aber zu-
nächst entgegensetzen, daß die Germanen nur eine Ehe kannten.
Verschiedene Arten von Verbindungen zwischen Mann und Frau,
die unter dem Schutz der Gesetze standen, kannte das germanische
Recht nicht. Zwar war es durchaus nichts Seltenes, daß reiche
und vornehme Männer „Kebsweiber", „Geliebte" 2 3) im Hause
hatten, wie sie in den heidnischen Zeiten auch wohl mehrere rechte
Ehefrauen sich verbanden. In der Regel waren diese Kebsweiber,
worauf auch das Wort selbst, wie andere damit gleichbedeutende
Benennungen Hinweisen, Sklavinnen Auch noch in einem Briefe

2) Fridla, frilla, alth. friudila. Es wird dieser Ausdruck, wie I. Grimm:
RechtSalth. S. 438 bemerkt, auch von Ehegatten gebraucht.
3) Lepsi, Kefsi heißt im altnord, der Sclave. Althoch, chepisa, angel-
sächs. ceafese, cifese: die Kebse. Slökifrilla altschw. sloelufrith, släg-
fnd, jm dänischen, ist ans slöki: ancilla pigra und frilla zusammen-

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