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Auslegung einer Miethvertragsurkunde, bei deren Herstellung ein gedrucktes Formular verwendet und darin gelassene Lücken unausgefüllt gelassen bez. durch darin angebrachte Striche ausgefüllt worden sind.
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Auslegung von Miethvertragsurkunden.
Auslegung einer Mielhvertragurkunde, bei deren Herstellung ein gedrucktes
Formular verwendet und darin gelassene Lücken unausgefüllt gelassen bez.
durch darin angebrachte Striche ausgefüllt worden sind.
O.L.G. Dresden, Urtheil v. 30. März 1898. 0. II. 34/92.
Die Klägerin hatte von der Beklagten ans die Zeit vom 1. April 1891
an eine Wohnung um 1000 Mk. jährlich gemicthet und Ende September 1891
den Vertrag für den 31. März 1892 gekündigt. Sie klagte auf Feststellung,
daß das Miethverhältniß mit diesem Tage zu Ende gehe. Die Beklagte bestritt
die Rechtswirksamkeit der Kündigung unter der von der Klägerin verneinten Be-
hauptung, daß der Vertrag auf zwei Jahre fest abgeschlossen sei. Zum Beweise
hierfür berief sie sich auf die Urkunde, die über den Vertrag in doppelten Ex-
emplaren aufgesetzt worden war. Zu derselben waren gedruckte Formulare benutzt
worden; diese hatte der Ehemann der Beklagten ohne Zuthun der Klägerin aus-
gefüllt.
In dem Exemplare, welches der Klägerin ausgehändigt worden war, lautete
Z 2 Abschnitt 1 folgendermaßen:
Der Miethvertrag wird vom 1. April 1891 ab auf . . . . hintereinander
folgende Jahre mithin auf die Zeit bis zum ... . .... 18 7 . , abgeschlossen.
Sollte von keinem der vertragschließenden Theile bis zum 1. October 1892
schriftlich gekündigt worden sein, so läuft dieser Miethvertrag vom 1. April 1893
gegen eine halbjährliche, beiden Theilen zustehende und spätestens am 30. März
und 30. September zu bewirkende schriftliche Kündigung stillschweigend so lange
fort, bis eine solche erfolgt.
Das der Klägerin übergebene Exemplar wich lediglich insofern ab, als im
ersten Satze nach der Zahl 18 .... der Strich (TT..) fehlte. Die tut Vor-
stehenden gesperrt gedruckten Worte und Zahlen waren in den Formularen vom
Ehemanne der Beklagten eingeschrieben, auch waren von diesem an den Stellen,
wo Lücken unausgefüllt geblieben sind, in der vorstehend ersichtlichen Weise wage-
rechte Striche angebracht worden.
Die Beklagte führte die Anbringung dieser Striche und die Nichtaussüllung
der Lücken auf ein Versehen ihres Ehemannes zurück, wogegen die Klägerin be-
hauptete, sie sei durch diese Maßnahme im ersten und andrerseits durch Ausfüllung
der offenen Stellen in dem zweiten Satze des 8 2 absichtlich getäuscht worden.
Die erste Instanz (L.G. Leipzig, VII. Civ.K.) nahm an, daß durch die
Urkunden für die Behauptung der Beklagten erhebliche Wahrscheinlichkeit erbracht
sei, und erkannte aus einen richterlichen Eid der Beklagten dahin, daß der Mieth-
vertrag auf zwei Jahre fest abgeschlossen sei. Das O.L.G. dagegen nahm an,
daß die Urkunde weit mehr für die Darstellung der Klägerin als für die Be-
klagten spreche und erkannte auf eine»: Eid der Ersteren. Die Gründe lauten:
„Die Klägerin meint, selbst wenn die Angaben der Beklagten über den In-