Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 2 (1892))

Hilfe, Die rev. Gesindeordnung und das Unfallversicherungsgesetz. 621
zugebilligt und angenommen wurde, bleibt einflußlos für das Entstehen der Ver-
sicherungspflicht. Deshalb erkennt das Reichsversicherungsamt auch eine Unfall-
rente zu, wenn ein Vorübergehender unaufgefordert half/ z. B. Zimmerleuten
einen Ballen tragen (597 (Amtliche Nachrichten re. 1888 S. 316] vom 9. Juli
1888), ein gefallenes Pferd aufrichten (862 (Amtliche Nachrichten rc. 1890 S. 495]
vom 24. März 1890), bezw. ein Bediensteter des Bauherrn Baumaterialien her-
anholt oder bei deren Einbringen behilflich ist (377 (Amtliche Nachrichten rc.
1877 S. 201] vom 13. Juni 1887), bezw. jemand beim Ballenrichten half
(1106 (Amtliche Nachrichten rc. 1872 S. 287] v. 8. Februar 1892) und dabei zu
Schaden kam, unbekümmert darum, daß in jedem dieser Fälle eine Vertragsabrede
auf Ausführung dieser Verrichtung, also > das Zustandekommen eines Arbeitsver-
trages im Sinne der Gewerbeordnung § 105, völlig ausgeschlossen war. Die
gleiche Auffassung wird aber auch seitens der dem Reichsversicherungsamt koordi-
nirten Landesversicherungsämter getheilt. Deshalb ist jedes rechtliche Bedenken
gegen die Schlußfolgerung ausgeschlossen, daß die für Entscheidung der Rechtsstreite
in Unfallsachen berufenen Spruchbehörden den Anspruch auf Unfallrente einem
Dienstboten nicht absprechen können, welcher im Aufträge seiner Dienstherrschaft
Verrichtungen vornimmt, die unter den Begriff einer Bauarbeit fallen. Denn
wenngleich in Nr. 1105 (Amtliche Nachrichten rc. 1892 S. 287) vom 8. Februar
1892 die Ansicht vertreten wird, es falle die Vermuthung einer versicherungs-
pflichtigen Beschäftigung dann fort, wenn nach seiner Lebensstellung der Verletzte
nicht zu denjenigen Personen zu rechnen sei, welche ihre Arbeitskraft bei der-
artiger Thätigkeit zu verwerthen pflegen, so trifft diese doch nicht für das Ge-
sinde zu.
Der Rentenanspruch geht indessen nach Gesetz vom 6. Juli 1884 § 59 unter,
wenn er nicht spätestens vor Ablauf zweier Jahre seit Eintritt des Unfalles bei dem
Vorstande der Berufsgenossenschaft angemeldet wurde. Nach Gesetz vom 11. Juli
1887 § 44 in Verbindung mit Gesetz vom 6. Juli 1884 § 51 hat aber der Ar-
beitgeber auch die Pflicht, von jedem Unfälle, welcher voraussichtlich eine drei Tage
überdauernde Arbeitsunfähigkeit zur Folge haben wird, innerhalb zweier Tage der
Polizeibehörde schriftliche Anzeige zu erstatten. Von letzterer sind gemäß §8 53 flg.
Ermittelungen über Entstehungsursache, Schadensumfang anzustellen, deren Er-
gebniß auch von Amtswegen (§8 56, 57) eine Rentenfestsetzung bedingt. Mithin
kann durch Unterlassen dieser Anzeige der Dienstgeber eines von einem Bauun-
falle bei Verrichten seiner Dienstleistungen betroffenen Gesindes dem letzteren inso-
fern einen Schaden zufügen, als dasselbe dessentwegen seines Rentenanspruches
verlustig geht. Ihm hierfür aufzukommen, wird er nach den Grundsätzen des
bürgerlichen Rechtes wohl angehalten werden können, wobei die Frage unerörtert
bleiben kann, ob hierauf die dreijährige Verjährungsfrist des bürgerlichen Gesetz-
buches 8 1017 Ziff. 10 zutrifft oder nicht.
Aber hierin liegt gar nicht der Schwerpunkt der hier zur Untersuchung ge-

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