Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 2 (1892))

Literatur

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Paragraphen sind kurz gehalten und bringen vielfach Auszüge aus den Motiven und dem Kom-
missionsberichte sowie den Reichstagsverhandlungen. Die zur Ergänzung des Gesetzes dienenden
Bestimmungen der C.PO. und des Gerichtsverfassungsgesetzes sind beim zweiten Abschnitt
des Gesetzes (über das Verfahren) vielfach abgedruckt, was die Brauchbarkeit des Werkes
namentlich für den Laien wesentlich erhöht. Aus diesem Grunde und wegen seiner Kürze
und leichten Faßlichkeit eignet sich das Werk namentlich zum Gebrauche für die Gerichtsschreiber
und die Beisitzer. In einer Anlage enthält es einen Abdruck der vom preußischen Minister
für Handel und Gewerbe erlassenen „Vorschläge zur Aufstellung von Orts- (Kreis- Provincial-)
Statuten für Gewerbegerichte." Besonders zweckmäßig erscheinen diese Vorschläge mir nicht. Sie
verarbeiten die Bestimmungen des Gesetzes in das Statut hinein und machen dadurch letzteres
äußerst umfangreich und schwülstig. Eine zweite Anlage endlich enthält 2 preußische Aus-
führungsverordnungen zu dem Gesetze.
Die Schrift von Stein ist in der Hauptsache eine historische Arbeit. Die etwa zwei
Drittheile des Werkes umfassende erste Abtheilung behandelt die Entwickelung der gewerb-
lichen Gerichtsbarkeit und ihren gegenwärtigen Zustand. Der Verfasser beschränkt sich hierbei
nicht auf die Darstellung der Entwickelung der Gewerbegerichtsbarkeit in Deutschland, sondern
geht auch auf diejenige in Frankreich, Oesterreich, Belgien, der Schweiz und England ein.
Ausführlich wird namentlich die Entwickelung in Frankreich und hier insbesondere die Ge-
schichte der 0ou86il8 de Prud’hommes behandelt, welche ja das recht eigentliche Vorbild für
die neuere deutsche Gesetzgebung auf diesem Gebiete geworden sind. Bei Behandlung der
Geschichte der Gewerbegerichtsbarkeit in Deutschland verweilt der Verfasser namentlich bei der
Entwickelung in Preußen, berührt aber auch kurz diejenige in Sachsen — wo auf Grund des
Gesetzes vom 15. Oct. 1861, betr. die Errichtung von Gewerbegerichten, nur ein einziges
Gewerbegericht in Meißen, errichtet worden ist, welches bis zum Inkrafttreten des neuen
Gesetzes bestanden hat — und in den übrigen deutschen Staaten, und schildert dann die Ent-
wickelung der Gesetzgebung im Norddeutschen Bunde und im deutschen Reiche. — Es läßt
sich nicht verkennen, daß die Abhandlung mit großem Fleiße und großer Sorgfalt geschrieben
ist und vieles zum Verständnisse des Gesetzes beitragen wird.
Die zweite Abtheilung der Schrift beschäftigt sich mit dem Gesetze vom 29. Juli 1890.
Die Anmerkungen sind sehr kurz gehalten und beschränken sich meist auf Wiedergabe der
Motive und der einschlagenden Paragraphen der Reichsjustizgesetze Der Verfasser enthält
sich hier mit wenigen Ausnahmen eigener Ausführungen. Sein Kommentar kann nicht als er-
schöpfender Rathgeber angesehen werden.
Ausführliche und erschöpfende Bearbeitungen des Gesetzes dagegen enthalten die Kom-
mentare von Wilhelmi-Fürst, Haas und Schier. Der letztere Verfasser ist Mitglied
des Reichstages und hat in der betr. (VI.) Kommission desselben an der Berathung des
Entwurfes und an der Redaktion des Gesetzes hervorragenden Antheil gehabt. Alle drei
Kommentare schicken der Bearbeitung des Gesetzes selbst Einleitungen hauptsächlich historischen
Inhalts voraus. Von diesen ist die Wilhelmi-Fürstsche am kürzesten; sie behandelt nur die
Vorgeschichte des Gesetzes von dem Entwürfe des Jahres 1873 an in sehr knappen Umrissen
und giebt dann lediglich die für das Verständniß des Gesetzes und seiner Absicht wichtigen
Auszüge aus den Motiven. Am weitesten holt Schier aus, indem er die Entwickelung der
gewerblichen Jurisdiktion von der Zeit der Zünfte an schildert, welche nicht nur Lohnstreitig-
keiten zwischen Meistern und Gesellen entschieden, sondern auch eine ziemlich weitgehende
Gewerbepolizei ausübten, ja allgemein über ihre Mitglieder in Civil- und Strafsachen Recht
zu sprechen hatten, jedoch nach dem 30jährigen Kriege mehr und mehr verfielen. Selbstver-
ständlich zieht der Verfasser auch die Entwickelung der französischen Gewerbegerichte (Conseils
de Prud’hommes), welche infolge der Fremvherrschaft auch in Deutschland Eingang fanden,
in den Kreis seiner Betrachtungen und verweilt dann länger bei der Entwickelung in Preußen

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