16.
Literatur
16.1.
Dr. Frank, Naturrecht, geschichtliches Recht und sociales Recht
(Landgerichtsrath Fuchs in Bautzen)
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Literatur.
einer Beantwortung der Frage abgesehen werden können, ob dieses Anfuhren nicht
aus eine nach § 489 der C.P.O. in der Berufungsinstanz selbst bei Einwilligung
des Gegners unstatthafte Klagänderung Hinausläufe.
Literatur.
Natirrrecht, geschichtliches Recht und sociales Recht. Von vr. Reinhard Frank,
Professor der Rechte in Gießen. Leipzig, Verlag von C. L. Hirschfeld. 1891. Preis
80 Pf.
Die kleine Schrift giebt einen Vortrag wieder, den der Verfasser im Wintersemester
1890/91 vor einem größeren Publikum gehalten hat und in dem er auf der Grundlage einer
fesselnden Darstellung der Entwicklungsgeschichte der Rechtswissenschaft für Beseitigung der
zwischen Theorie und Praxis bestehenden Trennung eintritt. Recht und Leben stehen in
Wechselwirkung, die Rechtswissenschaft soll nicht eine bloße Wissenschaft des Rechts sein, sondern
fie soll die Lebensverhältnisse selbst und die realen Wirkungen der Gesetze auf ste ergründen
und so den verloren gegangenen Zusammenhang mit dem wirklichen Leben wiederfinden.
Deshalb muß mindestens jeder ordentliche Lehrer des Rechts auf Wunsch von der Landes-
justizverwaltung im richterlichen Amte beschäftigt werden, in welcher Hinsicht jedoch bestimmter
formulirte Vorschläge für eine spätere Gelegenheit Vorbehalten werden.*) . ^ .
Für den Praktiker ist die Wahrnehmung erfreulich, daß seine Thätigkeit bei ben Ver-
tretern der Theorie mehr und mehr gewürdigt zu werden beginnt. Daß eine möglichst innige
Vereinigung von Theorie und Praxis beiden nur zum Segen gereichen werde, kann angesichts
der römischen Rechtsentwicklung nicht zweifelhaft sein. Der einzelne praktische Rechtsfall mit
seiner unmittelbaren Anschaulichkeit und Klarheit, mit seinen oft so vielfältige,l Verschlingungen
und seinen Ansprüchen an ein entwickeltes Rechtsgefühl, vor Allem mit seinen Anregungen
zu einer eben so vorsichtigen, als warmherzigen Betätigung schöpferischer Rechtsbildung ver-
dient es wohl, in den Mittelpunkt dieser Vereinigung gestellt zu sein, und es kann eine Zu-
kunft gedacht werden, wo eine solche Vereinigung innerhalb bestimmter Grenzen selbst wieder
in eine völlige Einheit beider Richtungen unserer Wissenschaft ausmünden würde. Vorerst
würde in jedem Falle die allgemach brennend gewordene Frage der Vorbildung unserer
jungen Juristen für den praktischen Beruf eine wesentliche Förderung erfahren. Die neuere
Gesetzgebung kommt dem Wunsche des Verfassers in weitem Umfang entgegen; ob es freilich
räthlich sei, die Vorschrift in § 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes in dem vorgeschlagenen Sinne
sortzubilden, kann auf den ersten Blick zweifelhaft sein, doch bleibt vorerst die in Aussicht
genommene Aufstellung bestimmter Vorschläge abzuwarten.
Landgerichtsrath Fuchs, Bautzen.
*) Vergk hierzu auch die Vorschläge von Jherings, in dessen „Scherz und Ernst"
S. 365 pg.