Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 2 (1892))

Neuere Entscheidungen des Reichsgerichts. 15h
3. Ein Walzwerk in Neuwied, im Rechtsgebiet des gemeinen Rechts, for-
derte eine Aktiengesellschaft in Duisburg, im Rechtsgebiet des Preußischen Allge-
meinen Landrechts auf, dem Walzwerk eine Offerte in Kohlen zu machen. Die
Offerte wurde brieflich gemacht und von dem Walzwerk durch Telegramm ange-
nommen. Jetzt entdeckte der Direktor der Aktiengesellschaft, daß in seiner Offerte aus
einem Versehen die Preise um die Hälfte zu niedrig angegeben waren. Er hatte
die Preise mit Bleistift so nottrt:
50—60 Doppelwaggon Gasflamme 98 Pf.
20 Doppelwaggon Fettnuß 100 Pf.
Das war bezogen auf einen Zollcentner zu 50 Kilogramm. Der den Brief
expedirende Kommis hatte aber umgerechnet
50—60 Doppelwaggon Flammkohlen ä 9,80 Mk.
20 Doppelwaggon Fettnüsse ä 10 Ml.
alles per Tonne ä 1000 Kg., und der Direktor hatte in dem Glauben, der Brief
sei seiner Angabe entsprechend abgefaßt, denselben, ohne ihn noch einmal zu lesen,
unterzeichnet. Die Aktiengesellschaft weigerte sich zu den im Brief wiedergegebenen
Preisen zu erfüllen, und das Walzwerk erhob Klage auf Zahlung der erheblichen
Differenz der angebotenen Preise zn den Marktpreisen. Damit wurde sie abge-
wiesen. Die^Frage, inwieweit bei einer Abweichung von Wille und Er-
klärung wegen Jrrthums die Erklärung, als Element eines Vertrages, rechts-
beständig sei, war nach dem Gesetze des OrtS zu beurtheilen, an welchem sie
abgegeben war, hier nach Allgemeinem Preuß. Landrecht; danach war aber
der Vertrag, ohne Hereinziehung der Frage nach einer Verschuldung des Erklärenden
und nach der Erkennbarkeit des Jrrthums für den Gegenkontrahenten wegen wesent-
lichen Jrrthums im Hauptgegenstande der Willenserklärung ungültig. Ob die Be-
klagte aus einer culpa, in contrahendo haste, kam nicht in Frage, da hierauf die
Klage nicht gegründet war. I. 332/91 v. 20. Februar 1892.
4. Der Erblasser der Beklagten hatte mit der Klägerin nach der vorge-
legten notariellen Urkunde einen Kaufvertrag abgeschlossen, in welchem er dieser
sein Gütchen für 3000 Mk. verkauft und über das Kaufgeld quittirt hatte. Die
Beklagten, gegen welche die Anerkennung der Rechtsgültigkeit des Kaufs mit der
erhobenen Klage begehrt wurde, behaupteten Simulation, ein Kaufpreis sei nicht
bezahlt und ein Kauf nicht beabsichtigt gewesen, die beabsichtigte letztwillige Zu-
wendung sei wegen Mangels der für diese vorgeschriebenen Form ungültig. Da-
rüber, daß der Kaufpreis nicht bezahlt sei, schoben die Beklagten, eventuell den
Eid zu, welchen die Klägerin annahm. Das Landgericht normirte den Eid durch
Beweisbeschluß und nahm denselben trotz des Protestes der Beklagten, welche ihn
für unerheblich erklärten, ab. Demnächst verurtheilte das Landgericht. Auf die
Berufung der Beklagten hob das Oberlandesgericht auf und wies die Klage ab.
DaS Reichsgericht wies die eingelegte Revision zurück. Das Oberlandesgericht

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