9.
Entscheidungen
9.1.
Neuere Entscheidungen des Reichsgerichts
Mitgetheilt von Reichsgerichtsrath Dr. A. Bolze
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Neuere Entscheidungen deS Reichsgerichts.
Durchführung der Substanziirungstheorie zu einem ganz unnöthige» Formalis-
mus und zu einer Vervielfachung der Prozesse führt, in welcheir dann ei» und
derselbe Anspruch mehrfach geltend gemacht werden darf, ja unter Umständen gel-
tend gemacht werden muß. Diese Frage ist nach der Ansicht des Verfassers zu
verneinen.
Entscheidungen.
Neuere Entscheidungen des Reichsgerichts
mitgetheilt von Reichsgerichtsrath vr. A. Bolze.
1. Das Landgericht hatte von den zur Feststellung berechneten Kosten
9 Mk. 50 Psg. Prozeßgebühr des Rechtsanwalts für die Berufungsinstanz ab-
gesetzt, das Oberlandesgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Beklagten als
unbegründet zurückgewiesen. Das Reichsgericht hielt die weitere Beschwerde
des Beklagten für zulässig und begründet. Denn das Oberlandesgericht hatte
dessen Behauptung, daß wie die betreffenden Handakten ergeben würden, der
Rechtsanwalt eine größere Thätigkeit für die zweite Instanz entwickelt habe als
das Landgericht angenommen hatte, nicht selbständig nachgeprüft, sondern mit der
Bemerkung zurückgewiesen, die Handakten hätten dem Landgericht Vorgelegen und
nach den Unterlagen der landgerichtlichen Entscheidung sei jene Behauptung des
Beklagten unrichtig. Darin liegt eine ungenügende Gewährung rechtlichen Ge-
hörs. Das Reichsgericht hob auf und wies die Sache an das Berufungsgericht
zurück, da dem Reichsgericht die Handakten nicht Vorlagen. 8. V. 16/92 v.
5. März 1892.
2. Die Klägerin hat zur Konkursmasse der Gebrüder L. eine Forderung
von 25000 Mk. angemeldet, welche von ihr ihrem Ehemanne zugebracht warm;
die in Konkurs gefallene Firma habe aber die Schuld übernommen. Da die
Forderung bestritten war, erhob sie Klage gegen den Konkursverwalter. Die Ein-
rede, die Klägerin sei bereits rechtskräftig abgewiesen, wurde verworfen.
Dieselbe konnte nicht daraus gegründet werden, daß auch ein Vorprozeß über die
Schuldübernahme verhandelt sei. Denn die Uebernahme einer bestehenden Schuld
ist kein selbständiger Schuldgrund, und es wird durch eine solche der Rechtsgrund
öiner Fordernng nicht berührt. Im Vorprozeß war aber die Klage auf die Be-
hauptung gegründet, die L.'schen Eheleute hätten sogleich bei der Einbringung der
25000 Mk. in die Ehe vereinbart, der Ehemann solle die 25000 Mk. seiner Ehe-
frau als Darlehn verschulden. Der Vorderrichter hatte aber die Klage abgewiesen,
weil der-Nachweis einer Darlehnsforderung nicht erbracht sei. In diesem Prozeß
war jene Behauptung einer Umwandelung der Schuld gerade aufgegeben und die
Illatenforderung geltend gemacht. IV. 260/91 v/ 22. Febr. 1892.