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Das Werk befaßt sich in erster Linie mit dem Österreichischen Recht (Patent vom
19 Oktober 1846), nimmt aber in jedem einzelnen Falle auf das Deutsche Recht Bezug und
zwar in solchem Umfange, daß es, ganz abgesehen von der Verwandtschaft die ohnehin zwischen
beiden Rechtsgebieten besteht auch den Bedürfnissen des deutschen Lesers gerecht wird. Von
den einleitenden Bemerkungen abgesehen, behandeln die einzelnen Kapitel den Gegenstand
des musikalischen Urheberrechts, Entstehung und Subjekt des Rechtes, seinen Inhalt, das
Verhältniß von Musik und Text, die Ahndung von Urheberrechtsverletzungen, das Erlöschen
der Urheberrechte, die zeitlichen Grenzen der Urheberrechtsnormen und das internationale
Urheberrecht. Aus dieser Kapitelübersicht ergiebt sich, daß das Werk auch die allgemeinen
Urheberrechtslehren eingehend berücksichtigt. Leider enthält es sich gerade der näheren Unter-
suchung einer Kardinalfrage: bezüglich der Natur des Urheberrechtes im allgemeinen und der
des musikalischen im besonderen wird auf eine hierüber veröffentlichte Spezialabhandlüng des
Verfassers verwiesen, was sich als besonders störend zeigt, wenn zur Begründung einer An-
sicht auf die Abhandlung einfach Bezug genommen wird z. B. S. 132. Bei der Behandlung
der allgemeinen Lehren vertritt der Verfasser übrigens vielfach Ansichten, die von der ge-
meinen Meinung abweichen, z. B. in der außerordentlich klar dargestellten Lehre von der
Miturheberschaft und der dadurch entstehenden Rechtsgemeinschaft (S. 133 stg.), in der Er-
örterung über den Begriff des wahren Namens und über die Bedeutung der Veröffentlichung
unter einem anderen als dem wahren Namen (S. 93 stg.).
Im Einzelnen nur einige wenige Bemerkungen. Der Verfasser zählt zu den Gegen-
ständen des musikalischen Urheberrechts auch die sog. Einrichtungen, vorausgesetzt, daß sie
wirklich klangtechnische Veränderungen aufweisen. Sie können zwar vom Urheber des Ori-
ginaltonsatzes, wenn sie ohne seine Genehmigung herausgegeben werden, als Nachdruck ver-
folgt werden, genießen aber sonst den Autorschutz. Zum Beweise dafür, daß auch das R.Ges.
v. 11. Juni 1870 den Einrichtungen (§ 46) solchen Schutz gewähre, wird vom Verfasser
lediglich auf die „Analogie" mit Uebersetzungen (§ 6 letzter Absatz cit. leg.) Bezug genommen
— S. 72, 73. Es wird zwar der Ansicht beizupflichten sein, daß auch das R.Ges. in den
Arrangements, mögen sie mit oder ohne Einwilligung des Originalautors zu Stande ge-
kommen sein, das Ergebniß einer schutzfähigen Urheberthätigkeit erblickt: allein mit Rücksicht
auf die Fassung des 8 46 und auf die Erklärung der Motive (Motive zu 8 46 S. 39), daß
eigenmächtige Arrangements „in jedem Falle verboten seien," wäre wohl eine ausführ-
lichere Begründung dieser Ansicht erforderlich gewesen. — S. 209 wird behauptet, die Wissen-
schaft erkenne allgemein an, daß der Verleger seine Rechte nicht einseitig auf einen Dritten
übertragen könne. Allgemein wird dies wohl nicht anerkannt — vergl. die Werke von Ende-
mann S. 11, Wächter S. 124, Klostermann S. 147. Das Reichsgericht (Entsch. in Straff.
Bd. 17 S. 273 flg.) hat sich übrigens dahin ausgesprochen, daß die einseitige Weiterver-
äußerung der Regel nach zulässig sei Zu S. 216 wäre ergänzend zu bemerken , daß nicht
bloß der deutsch-französische, sondern auch der deutsch-belgische und italienische Literarvertrag
den sog. getheilten Verlag für musikalische u. dramatisch-musikalische Werke anerkennen (vergl.
Art. 11 der Verträge vom 12. Dezbr. 1883 u. 20. Juni 1884). — Entschuldbarer Rechts-
irrthum kommt auch dem Verbreiter (8 25) zu gute (R.-G. Entsch. in Straff. Bd. 16 S. 420),
was S. 270 verneint wird. — Der Kommissionsbericht zu 8 60 enthält nicht, wie S. 234
angeführt wird, die Worte: „ohne daß ein Unterschied gemacht wird, ob das Original schon
erschienen sei oder nicht." — Der § 53 des Reichs-Ges. v. 11. Juni 1870 ist, offenbar, infolge
eines Druckfehlers, S. 92, falsch citirt worden. Er spricht nicht von Werken, „welche noch
nicht mechanisch vervielfältigt oder öffentlich aufgeführt worden sind", sondern von solchen,
welche noch nicht mechanisch vervielfältigt, aber öffentlich aufgeführt worden sind.
Staatsanwalt Scheele in Dresden.