Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 8 (1898))

376 Mittheilungen aus neueren Entscheidungen des Reichsgerichts.
Revision ist daher nicht zuzugeben, daß in jedem Falle der Verkäufer durch die
Anzeige, daß er über die Waare anderweitig verfügen und Schadensersatz fordern
werde, des Rechts, Vertragserfüllung zu verlangen, verlustig gehe. Ergiebt sich
aus der Anzeige, daß der Verkäufer ohne Sclbsthülfeverkaus Schadensersatz wegen
Nichterfüllung beanspruchen will, so ist damit, weil er nach Art. 354 des H.G.B.'s
einen solchen Anspruch nicht hat, eine unzulässige und deshalb unwirksame Wahl
getroffen. Die Klägerin hat ihre Absicht angekündigt, Ersatz dafür zu fordern,
daß sie die abzunehmende Waare freihändig zu billigeren als den mit der Be-
klagten vereinbarten Preisen an Dritte zu verkaufen genöthigt gewesen sei und ge-
nöthigt sein werde. An eine in diesem Sinne abgegebene Erklärung war dem
vorher Ausgeführten nach die Klägerin nicht gebunden. Sie konnte, wie sie ge-
than, noch Vertragserfüllung fordern. U. v. 5. März 1898. I. 417/97.
2. Verwahren von Oeffnungen. Straf-G.B. § 367 ". Es handelt
sich darum, ob der Beklagte haftbar gemacht werden kann für den Unfall, welchen
der Kläger dadurch erlitten hat, daß er am Mittage des 15. Dezember 1896 zu
A. in dem Restaurationslokale des Beklagten eine im Billardzimmer besindliche,
nach der im Keller liegenden Kegelbahn führende Thür öffnete und beim Vor-
treten die Kellertreppe hinabstürzte, wodurch er sich Verletzungen zuzog. Beide
Vorinstanzen haben den Anspruch für unbegründet erachtet. Die Revision konnte
nicht für erfolgreich angesehen werden. Der von dem Kläger zur Begründung
seiner Schadensersatzforderung angezogene § 367" des Str.G.B.'s, wonach der-
jenige mit Strafe bedroht wird, welcher in Häusern Oeffnungen dergestalt un-
verdeckt oder unverwahrt läßt, daß daraus Gefahr für andere entstehen kann, ist,
wie vom Reichsgericht erst kürzlich — vergl. Rep. VI. 372/1897 — ausgesprochen,
nicht dahin zu verstehen, daß eine jede denkbare Gefahr ausschließende Sicherheit
hergestellt wird; vielmehr ist nach den obwaltenden Umständen zu beurtheilen, ob
nach vernünftigem Ermessen bei Anwendung der Sorgfalt, die ein ordentlicher
und aufmerksamer Mensch zu beobachten pflegt, sich eine Gefahr erwarten läßt
oder nicht. Danach ist ein Rechtsirrthum nichts als vorliegend anzunehmen, wenn
die Vorinstanz eine ausreichende Verwahrung der hier in Frage stehenden, durch
die Kellertreppe hcrvorgerufenen Oeffnung als vorhanden ansieht, indem ausgeführt
wird: Dadurch daß die nach der Kellertreppe führende Thür, wie unter den Par-
teien festststehe, nach dem Billardzimmer zu aufschlage, sei für die dort verkehrenden
Menschen ein sofortiges Hindurchfallen durch die Oeffnung ausgeschlossen, eine
Gefahr also nicht zu besorgen; wenn jemand nach Oeffnung der Thür ungeachtet
eigener gehöriger Achtsamkeit dennoch zu Falle komme, so falle er nicht wegen man-
gelhafter Verwahrung, sondern wegen mangelhafter Beleuchtung der Kellertreppe.
In dieser Beziehung liege aber ein Mangel nicht bor, weil beim Oeffnen der
Thür das Tageslicht, wenn auch in beschränktem Maße, aus die oberen Treppen-
stufen falle, und so das Vorhandensein einer Treppe für den Eintretenden ge-
nügend erkennbar sei. Die in letzterer Richtung getroffene Feststellung beruht auf

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