Beaumanoir und die geistliche Gerichtsbarkeit. 347
aus, daß man der Klage eines Exkommunizierten nicht zu
antworten brauchte, und wohl auch, daß der Exkommuni-
zierte nicht verklagt werden konnte. Auf Grund dieser
Prozeßunfähigkeit seines Gegners war der Abt von St. Ri-
quier der Ansprache des Majors der Stadt in einer Angelegen-
heit des städtischen Gemeinwesens ledig geworden; er beruft
sich nun auch darauf, als der Major als Privatmann gegen
ihn klagt; dieser aber wendet ein, die Exkommunikation
habe ihn wegen einer im Amte begangenen Handlung ge-
troffen, folglich sei er als Privatmann nicht exkommuni-
ziert und voll prozeßfähig. Das Parlament weist diese kühne
Replik zurück; daß sie aber vorgebracht werden konnte,
spricht für die Fähigkeit der Zeit zu juristischer Abstraktion.
B. Der Wirksamkeit für das weltliche Recht, die von
den Urteilen der kirchlichen Gerichte in der Sphäre der aus-
schließlichen geistlichen Zuständigkeit ausgeht, steht gegen-
über die Unwirksamkeit der in die ausschließlich weltliche
Zuständigkeit fallenden kanonischen Urteile, also hauptsäch-
lich derer in Feudalprozessen. Jedoch ist diese UnWirksamkeit
keine Nichtigkeit; das erlassene Urteil besteht, bis es
wieder aufgehoben ist; seine Schwäche besteht aber darin,
daß es der zwangsweisen Wiederaufhebung unterliegt.
Der Gedanke der absoluten Nichtigkeit formrichtig er-
lassener Urteile war dem germanischen und auch dem alt-
französischen Recht ursprünglich fremd.1) Erst im 14. Jahr-
dicto abbate iterum citato ad propriam querelam ipsius Johannis,
respondenteque quod ipse non tenebatur respondere agendo, eum se
cognovisset excommunicatum in alio pallamento, donec constaret de
absolucione ipsius, responsum fuit, pro dicto Johanne, quod istud ei
obesse non poterat, cum non (lies offenbar nunc) ageretur de propria
et privata querela, et tunc ageret tanquam major, presertim
cum, raeione officii dicte majorie, lata fuisset sentencia contra
eum: Auditis itaque hinc inde propositis, et considerato quod adhuc
erat ligata persona ipsius sentencia supradicta, pronunciatum fuit quod
non tenebatur abbas eidem respondere agendo, donec de ipsius absolu-
cione constaret. Für Deutschland vgl. jetzt EduardEichmann, Kirche
und Staat II (Quellensammlung zur kirchl. Rechtsgeschichte und zum
Kirchenrecht Heft 2), Paderborn 1914, S. 17 ff.
x) Darüber Arthur Skedl, Die Nichtigkeitsbeschwerde in ihrer
geschichtlichen Entwicklung, Leipzig 1886, S. 5. Dort auch der Aus-
druck „Formalkraft", der im folgenden gebraucht wird.