Full text: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Kanonistische Abteilung (5 (1915))

Kirchliches Abgaben wesen bei französischen Eigenkirchen. 481
Man beachte in dieser Hinsicht auch das Jahr unserer
urkundlichen Abmachung, das, wie oben erwähnt, das Jahr
1185 war. Dieses Datum läßt sich gewiß vielsagend genug
an. Denn man weiß aus der allgemeineren Entwicklungs-
geschichte des Ordals, bereits zu Ende des 11. Jahrhunderts
wurde der Reinigungseid mit Eideshelfern ein gemeinrecht-
liches Institut, das der purgatio vulgaris in den Weg trat.1)
Unser Jahr 1185 belehrt uns aber ausreichend darüber,
daß man damals in der Kleinwelt der Diözese Langres an
der Reinigung durch Zweikampf noch zäh festhielt2), ob-
wohl angesehene kirchliche Kreise diesen längst verpönten.
Obwohl weiter in den Städten vielfach bereits der gericht-
liche Zweikampf abgeschafft war. Es sei nur erwähnt,
daß Balduin VI. von Flandern 1116 in Ypern auf dem Wege
eines Privilegs verlieh ,,omnibus burgensibus Ypre liber-
geschlossen waren.“ Diese Formulierung ist gewiß allzuknapp. Denn die
Stadtbewohner bleiben in ihr unerwähnt. Zudem sei hier die andere
Frage aufgeworfen: war es wirklich in der Hauptsache nur der Adel,
der an diesen ländlichen Eigenkirchen, die in den Händen von Klöstern
waren, das Zweikampfordal veranstaltete ? Sollten hieran nicht zahl-
reiche Freie (vgl. Brunner, Rechtsgeschichte II, S. 402, für die frän-
kische Zeit: „Das wichtigste Gottesurteil der freien Leute war der Zwei-
kampf“) und dem Freien nahestehende, weil in der Klostergrundherr-
schaft lebende Bevölkerungsklassen (die Arbeit von Paul Allard, Les
origines du servage en France, Paris 1913, ist mir leider unzugänglich)
beteiligt gewesen sein? Zweifelsohne. Denn schon Co ulin, a. a. O.,
8. 54 und 61, hat darauf hingewiesen, daß Ludwig VI. (1118—1137)
zahlreichen Abteien die privilegia bellandi et testificandi der servi ecclesie
verlieh und damit den Kreis der Kampffähigen bedeutend erweiterte. Mit
diesen Angaben stimmen unsere Beobachtungen, die sich einer Kirche
(Pisy) der Abtei Moutier-Saint-Jean zuwenden, nur allzugut überein.
Wir können noch hinzufügen: mit dem Kreis der Kampffähigen er-
weiterte sich auch die Höhe und die Zahl der einlaufenden Ob-
lationem Holtzmann hat ferner die wichtige Unterscheidung zwischen
dem Stockkampf der niederen Justiz und dem Kampf urteil, das mit der
blanken Waffe ausgefochten wurde (vgl. oben S. 473) nicht angestellt.
x) VgL Sägmüller, Kirchenrecht 3II, S. 330f. Ergänze dazu
Coulin, a. a. O., 8. 30ff., und neuerdings auch Heinrich Mitteis,
Beaumanoir und die geistliche Gerichtsbarkeit, in dieser Zeitschrift
XXXV, Kam Abt. IV (1914), S. 263ff., und besonders 8. 302.
2) WennHoltzmann,Verfassungsgeschichte, 8.163, bemerkt: „Den
gerichtlichen Zweikampf hat die Kirche immer verschmäht“, verdient die-
ser allzuapodiktisch gehaltene Satz gewiß eine vorsichtigere Formulierung.
Zeitschrift für Rochtsgeschichte. XXXVI. Kan. Abt. V. 31

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