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Miszellen.
auch nicht mit einer bestimmten Kirche oder Pfründe verbunden ist,
sondern der Erwählte beziehungsweise bischöflich Bestellte von seinem
bisherigen (Pfarr«) Amtssitz aus die Dekanatsgeschäfte verwaltet. Dabei
muß allerdings die Dekanatsregistratur und das Archiv immer wieder
überführt werden, und zwar über weitere Entfernungen, als es wohl in
Rom für die von Harnack selbst als umfangreich angenommene
bischöfliche Kanzlei nötig war. Freilich erregt Harnacks Lösung
um deswillen Bedenken, weil, wie er selbst hervorhebt, und wie weiter
unten nochmals in Betracht zu ziehen sein wird, auf den römischen
Stuhl in diesen Zeiten regelmäßig bisherige Diakonen erhoben wurden;
der nach Xystus II. zum Bischof erwählte Presbyter Dionysius bildet
eine vereinzelte Ausnahme. Die Diakonien als Kirchen und Sitze der
Diakonen sind späteren Ursprungs, wie auch Harnack 8 972 Anm. 2
selbst zugibt, klimmt man an, die Diakonen hätten ursprünglich und
auf lange hinaus in privaten, ihnen oder der Kirche gehörigen Häusern
gewohnt, so ergäbe sich daraus die doch unannehmbare Folgerung, daß
nach der Wahl eines von ihnen zum Bischof ein solches Privathaus domus
episcopi geworden wäre. Anzunehmen, daß auch die Diakonen in oder bei
den Titeln wohnten, ist an sich nicht unmöglich; soviel ich weiß, besitzen
wir allerdings kein Zeugnis dafür, namentlich keine einzige Inschrift,
die ähnlich, wie wir es für Akolythen und Lektoren feststellen konnten,
Diakonen als zum Titelklerus gehörig ergeben würden. Doch kann
dies auf Zufall beruhen. Aber würden, wenn auch der Regionardiakon
gleich dem uns bekannten Regionarakolythen Abundantius seinen Sitz
bei einem Titel gehabt hätte, die Schwierigkeiten nicht noch größer
werden? Man stelle sich vor, daß ein solcher Diakon über die Titel-
priester seines Titels hinweg zum Bischof aufrückte und nun diesen
Titel als Bischofssitz beibehielt mit seinen bisher, wenn nicht ihm Vor-
gesetzten, so doch im Weihegrad über ihm stehenden Presbytern nun-
mehr unter sich. Das ist doch wohl undenkbar. Ich möchte deshalb
mit allem Vorbehalt einen anderen Ausweg vorschlagen. Sollte der
römische Bischof vor Konstantin zwar einen eigenen Sitz, eine domus
episcopi, aber keine eigene Kirche, keine Kathedrale gehabt haben?
Ersteres wäre durchaus verträglich mit der Tatsache, daß später
nicht die geringste Erinnerung daran sich findet; Wohnung und
Archiv könnten ganz wohl aus dem Gedächtnis der nachfolgenden Ge-
schlechter geschwunden sein. Letzteres würde damit zusammenstimmen,
daß die Lateranbasilika längere Zeit brauchte, um zur anerkannten
Mutterkirche Roms zu werden, ja daß sie das überhaupt konnte; es
brauchte eben nicht auf Kosten einer Vorgängerin zu geschehen. Und
vor allem macht dafür, wenn ich nicht irre, der uns bekannte, aber in
diesem Zusammenhang noch nie benutzte Brief Innocenz I. an Decentius
von Gubbio so vollen Beweis, als überhaupt für diese Zeiten und Dinge
erwartet werden kann. Daß die in ihm bezeugte römische Sitte, wo-
nach der Bischof das Ferment durch Akolythen an die Titelpriester
sandte, um mit ihnen und ihren Gemeinden die Gemeinschaft in der
Eucharistie und im sonntäglichen Gottesdienst zu wahren, weit älter