Full text: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Kanonistische Abteilung (3 (1913))

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Emil Ott,

Daß gelegentlich zwischen Professoren ein Streit über
den Umfang ihrer Lehrbefugnis ausbrach, bestätigt eine Ent-
scheidung des Erzbischofs als Universitätskanzlers vom 13. Ok-
tober 1382 im Streite zwischen mag. Nikolaus und Joannes de
Dülmen über die Befugnis zu Vorträgen über den liber sextus.1)
Was die Behandlungsart des Rechtes in den Vorträgen
anbelangt, erfolgte sie an der neugegründeten Hochschule
zu Prag nach der die Wissenschaft in ihrer Gesamtheit
damals beherrschenden Methode der scholastischen Philo-
sophie. Das geistige Ringen zwischen den beiden Haupt-
richtungen des Scholastizismus2), dem Nominalismus mit
dem Losungsworte: universalia post rem, und dem Rea-
lismus mit der Devise: universalia ante rem, hatte wohl
auch in Prag das philosophische Lager in zwei Parteien
gespalten, wenn sie auch nicht mit den beiden* * kirchlichen
und nationalen Parteien zusammenfielen; doch übte diese
Scheidung auf die Behandlung dos Rechts keinen Einfluß.3)
Eine Wissenschaft, deren Grundlage der schriftlich
niedergelegte Wille des Gesetzgebers ist, muß ihre Arbeit
mit dem Erfassen des Sinnes und der Tragweite der einzelnen
gesetzlichen Bestimmungen beginnen. Die exegetische Be-
handlungsweise des Rechtsstoffes lag der mittelalterlichen
Jurisprudenz um so näher, als auch an zwei Schwesterfakul-
täten in ähnlicher Weise vorgegangen wurde.4) Die Theo-
außerdem ein noch später zu erwähnendes, das Prager Universitäts-
leben betrettendes Stück aus dem Jahre 1385 (Nr. 354) aufgenommen
ist, läßt den Schluß zu, daß die oben berührte Begebenheit sich erst
unter der Regierung König Wenzels IV. abspielte. Andeutungen von
Übelständen, die sich bei Berufungen von Lehrkräften aus anderen
Ländern ergaben, werden in dem Ernennungsdekrete eines Inländers
um dieselbe Zeit gemacht (Palacky, Formelb. II 8. 158).
*) Die Entscheidung dieses Streits enthält der Codex capit, metrop.
Prag. U XVIII p. 268. — 2) Ueberweg-Heinze, Gesch. der Phil. 9. Auf 1.
II8.171. —3) Zimmermann, Abhandlungen der böhm.Gesell. derWiss.
V. Folge, 9.Band 8.5. Kurz vor dem Abzüge der fremden Studenten (1409)
hatten sich die Gegensätze dahin zugespitzt, daß die Deutschen dem
Nominalismus, die Angehörigen der natio bohemica dem Realismus an-
hingen (Höfler, Sitz.-Ber. der böhm. Gesell, der Wiss. 1862 II. Heft
8. 59). Darauf bezieht sich die Anspielung in einem Spottgedicht aus
jener Zeit: Praga jam adultera profert realistas. — 4) Ratjen, Ein-
fluß der Philosophie auf die Jurisprudenz, Kiel 1855; M. Grabmann,
Gesch. der scholast. Methode II 8.14 ff.

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