Full text: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Kanonistische Abteilung (3 (1913))

Der Prozeß im Decretum Gratiani usw.

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Den schuldhaft Säumigen trifft nach den leges vor
Litiskontestation keine Verurteilung pro crimine, kein Sach-
urteil, sondern nur eine Verurteilung pro contumacia; bei
Säumnis nach Litiskontestation soll der Richter, falls er plene
de causa cognoscere kann, Sachurteil fällen, andernfalls pro
contumacia eine Strafe auswerfen.
Nach den Kanones wird der Säumige vor wie nach
Litiskontestation exkommuniziert, stellt er sich auch dann
noch nicht, so erfolgt Verurteilung in der Sache und Be-
strafung wegen Kontumaz:
... et pro contumacia et pro crimine dampnati habebuntur.1)
Nunmehr kann der Verurteilte binnen Jahresfrist ad pur-
gationem criminis den Prozeß aufnehmen und gegebenenfalls
eine andere Sachentscheidung herbeiführen, während die
wegen der Kontumaz verhängte Strafe bestehen bleibt. Nach
Ablauf des Jahres ist das Urteil in seinem ganzen Umfange
unabänderlich.2)
Neben diesen den säumigen reus betreffenden Be-
stimmungen behandelt Rufinus als „abolitio ex lege“ den
Digestensatz3), wonach der Angeklagte, falls der reus die
Klage nicht durchführt, absolutio ab instantia verlangen kann.
Da jedoch Rufinus als Beispiel ausdrücklich auf den Tod des
Anklägers oder auf seine Verhinderung durch eine iusta
causa verweist, so können diese Ausführungen kaum auf das
Kontumazialverfahren bezogen werden. Wohl aber greifen
hier die später4) im Zusammenhang zu erörternden Straf-
bestimmungen beim Versagen (deficere) des Anklägers ein.
Auch bei Stephanus findet sich nichts über die Säumnis
des Anklägers. Er wiederholt das System Ruh ns, soweit dieser
das Kontumazialverfahren gegen den reus nach den leges
schildert, und schließt sich wörtlich seinen Ausführungen über
die abolitio ex lege an.5) Zum Schluß ist noch zu bemerken,
') Rufinus 8. 270 zu C II q 9. — 2) Rufinus 8. 269f. zu C III
q 9, 8. 314f. zu C XI q 3, 8. 317f. zu c 36, 37 C XI q 3. — a) s. o.
8. 284 Anm. 3. Hierzu Rufinus S. 240 v. Ab alio delatum mit der
ausdrücklichen Hervorhebung: postulante reo aboletur nomen eius de
numero reorum und dem Zusatz: et alius poterit eum accusare intra
triginta dies utiles. — 4) 8. u. § 11 8. 296f. — *) Stephanus 8.198
zu C III q 9, 8.161 f. zu c 14 § 1 C II q 1 v. Ab alia delatum.

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