Full text: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Kanonistische Abteilung (3 (1913))

Der Prozeß im Decretum Gratiani usw.

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bei den Dekretisten nur ganz im Vorbeigehen erwähnt:
Stephanus knüpft an einen Kanon1), der dem Kleriker ver-
bietet, einem Laien einen Eid zu leisten, eine Bemerkung2),
aus der deutlich der ganz allgemeine Gebrauch des Eides
und gleichzeitig bereits das Bestreben ersichtlich wird, den
Kalumniencid bei einem Kleriker für überflüssig zu erklären,
ein Gedanke, der in dem späteren Ausschlüsse des Kalumnien-
eides bei Prozessen über spiritualia vorübergehend gesetz-
liche Anerkennung gefunden hat.3)
IV. Diejenigen Rechtssätze, die praktisch am wirk-
samsten eine Erfüllung der Prozeßpflicht verbürgen, treten
erst in dem Kontumazialverfahren mit seinen den Säumigen
treffenden Strafen und sonstigen Rechtsnachteilen entgegen.
Hier ist vorauszuschicken, daß das Dekret und die
Dekretisten unter contumax nicht nur den seine Prozeß-
pflicht Versäumenden, sondern jeden verstehen, der einen
vom kirchlichen Oberen gegebenen Befehl oder auch eine
zwecks Besserung verhängte Strafe bewußt mißachtet.4)
Deshalb sind die Bestimmungen über Kontumaz nicht aus-
schließlich auf das prozessuale Gebiet zu beziehen, und
kommen andererseits für das Recht der prozessualen Kon-
tumaz auch die Regelungen anderer Fälle von „Hartnäckig-
keit“ in Betracht.
') c 22 0 XXII q 5, vgl. auch das vorhergehende dict. Gr. — 2) Ste-
phanus 8. 230 zu c 22 C XXII q 5 :
Quia quaedam decreta et leges volunt, etiam clericos iurare,
quando litigant cum laico, dicunt quidam, quia de sacramento
calumniae decretum hoc loquatur; quod falsum credimus.
Die Lehre der quidam lautet also, daß ein Kleriker einem Laien keinen
Kalumnieneid schwören dürfe. — 3) Vgl. cap. 2 X II 7, cap. 1 in VI. II4.
— 4) Vgl. auch München a. a. 0. 8. 408 Anin. 1, 8. 409 Anm. 2 und
beispielsweise c8CIIq5, c3C XV q 7, c 6 C XXIV q 3. Rufinus
8. 388 zu C XXII, 8.314 f. zu c 2 C XI q 8, wo drei Arten der Exkommuni-
kation geschieden werden und die schwerste dritte Art, das Anathem,
ausschließlich zur Strafe der Kontumaz im weiteren Sinne be-
stimmt wird:
De excommunicatione, qua contumax anathematizatur, in omnibus
fere huius questionis capitulis dicitur, ubicunque de excommunicatis
agitur. Prima excommunicatio non solet fieri nisi de occultis pec-
catis, secunda fit tantum de manifestis et criminalibus, tertia de
nullo unquam crimine facienda est, nisi ex contumacia satisfacere
noluerit qui crimen commisit.

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