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nicht vernichten, sondern entsteht und entwickelt sich nach
organischen Gesetzen. So wie sich das Volksleben, ver-
möge innerer Kraft, nach Innen und Außen entfaltet,
von Außen her aber nur geleitet und gefördert, nicht
aber geschaffen werden kann, so auch das Recht, wel-
ches nur eine Seite des Volkslebens ist. Das alte
Recht verhielt, sich zu dem neuen, wie der Kern zum
Baume und der Baum zur Frucht. Das neuere Gesetz
ist eine höhere Entwickelungsstufe des altern. Das äl-
tere eine Grundlage des neuern. Ein neues Gesetzbuch
hat man sich daher nicht als die Zusammenstellung neu
erfundener, nach Willkühr geformter Regeln zu denken,
welche morgen willkührlich verändert oder abgeschafft
werden können; vielmehr haben die im Gesetzbuch zu-
sammengestellten Regeln eine rationelle Grundlage und
im Rechtszustande der Vorzeit die historische Basis. In
einem solchen Verhältnisse steht auch das Allg. Landr. zum
Römischen Rechte. Nicht nur, daß die Redaktoren in
und nach dem Römischen Rechte zu wissenschaftlichen
Juristen gebildet, ohne cs zu wollen, die auS dem Rö-
mischen Rechte eingesogenen Grundsätze in das neue Ge-
setzbuch übertrugen; beibehirlten, was sie für recht und
gut erkannt, und nur abschafften, wo veraltete und
mangelhafte Normen für die neuen Verhältnisse nicht
mehr paßten; auch mit Bedacht und grundsätzlich wurde
bei Bearbeitung des neuen Gesetzbuchs das Römische
Recht zum Grunde gelegt und die Redaktion mit Ercer-
pirung der Corpus juris begonnen.
Es liegt in der Natur, der Sache, daß bei dieser
Art der Bearbeitung imuAllg" Landrechte die Abweichun-