Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 57 = 2.F. 21 (1910))

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Eugen Joses,

ist 2). Sicherlich würde nun der Versicherer oder der Agent,
der am 1. Januar nachmittags den Schein übergeben will,
durch den meine Habe von diesem Tage ab versichert ist, die
Uebergabe unterlassen, wenn er wüßte, daß gerade an diesem
Nachmittag bereits ein Brandschaden eingetreten ist. Denn
durch die Uebergabe des Scheins kommt der Vertrag zustande,
und das hat wieder nach § 7 die Entschädigungspflicht des
Versicherers zur Folge, während die Verschiebung der Ueber-
gabe auf einen späteren Tag Leistungsfreiheit des Versicherers
für den am 1. Januar eingetretenen Versicherungsfall zur Folge
hätte. Danach fragt sich, ob dieser Versicherungsfall nach § 16
Abs. 1 von mir dem Versicherer oder dem Agenten3) anzu-
zeigen ist, insbesondere, ob ich nicht, wenn der Agent im Lauf
dieses Tages sich bei mir einsindet oder mich zu sich bestellt,
um mir gegen Empfang der Prämie den Schein zu übergeben,
ihm den soeben eingetretenen Brand anzuzeigen verpflichtet bin.
Diese Frage ist aber zu verneinen. Denn habe ich dem Ver-
sicherer angetragen, daß er mir von sofort oder von einem
bestimmten Tage ab Versicherung gewähren soll, und ist er zur
2) Josef, Komm. Anm. 2 zu § 16.
3) Nach § 43 3. 1 ist der Agent bevollmächtigt, Anträge auf
Schließung des Vertrages entgegenzunehmen, und die Begründung 58
bemerkt: diese Obliegenheit „erstreckt sich zugleich auf die Entgegennahme
der vom Antragsteller bei dem Abschluß des Vertrages zu be-
wirkenden Anzeige der Gefahrumstände". Wie aber schon oben erwähnt,
hat der § 16, wonach die Anzeigepflicht dem Versicherungsnehmer „bei der
Schließung des Vertrages" obliegt, in der Kommission die zweifellos richtige
Erläuterung erfahren: die Anzeigepflicht bestehe während der ganzen Dauer
der Verhandlungen, also bis der Vertrag zustande gekommen ist. Folglich
kann, wie als Absicht des Gesetzes anzunehmen (RG. 21, 50; 22, U4),
der Versicherungsnehmer derartige nach der Stellung des Antrages, aber
vor dem endgültigen Abschluß eintretende Umstände gleichfalls dem Agenten
anzeigen. Die entgegengesetzte Ansicht von Schneider, Komm. S. 209 und
130, die diese aus der Begründung im Zusammenhang mit § 16 gezogenen
Folgerung unberücksichtigt läßt, trifft danach nicht zu.

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