Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 44 = 2.F. 8 (1902))

Organ und Stellvertreter.

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daß sie auch durch die hierfür geeigneten Organe in einen
rechtswirksamen Zustand des eigenen Wissens oder Nichtwissens
versetzt wird u. s. w."
Das alles klingt so. als ob Gierke von dem auf andere
Weise als feststehend erkannten Grundsätze ausginge, daß in
allen Fällen, in denen Wissen oder Nichtwissen einer physischen
Person zu einem rechtlich erheblichen Thatbestande gehört, sofern
sie in Bezug auf eine juristische Person in Frage kommen, das
Wissen und Nichtwissen der verfassungsmäßig zum Handeln für
die juristische Person berufenen Personen für die juristische Person
dieselben rechtlichen Folgen nach sich ziehen solle, wie für die
wissende oder nichtwissende physische Person. Sieht man aber
näher zu, so findet man, daß Gierke und seine Anhänger
zunächst a priori den Grundsatz postulirt haben: jene Per-
sonen sind Organe der juristischen Person, also Theile von
ihr; daher sind deren Handlungen nicht ihr fremde Hand-
lungen, sondern von ihr selbst vorgenommen ; das Organ ist
statt der juristischen Person *) u. s. w. Aus diesem a priori
aufgestellten Satze werden alsdann Konsequenzen für die recht-
liche Behandlung von praktischen Fragen gezogen, für die es
an positiven Bestimmungen fehlt. „Deshalb, weil jene Per-
sonen Organe der juristischen Person und nicht Stellvertreter
sind, kommt es überall, wo Wissen und Nichtwissen rechtlich
relevant sind, wie bei dem Einfluß der bona und mala fides,
des Irrthums, bei der Eidesleistung, bei den Wirkungen einer
behördlichen Ladung, sowie jenen einer rechtlich bedeutsamen
Kenntnißnahme von Thatsachen. endlich beim Delikt auf ihr
Wissen und Nichtwissen an; deshalb können sie öffentliche
Rechte mannigfachster Art ausüben, bei denen eine Stellver-
tretung nicht zulässig ist" u. s. w.1 2).
1) Karlowa in Grünhut'S Zeitschr-, Bd. iS S. 420f.
2) Vergl. Bernatzik, a. a. O. S. 70 ff.

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