Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 44 = 2.F. 8 (1902))

Schadensersatz wegen Nichterfüllung bei gegenseit. Verträgen. 103
Es soll NUN nicht geleugnet werden, daß es für den
Gläubiger Werth haben kann, nach Wegfall der ihm ursprüng-
lich zugesagten Leistung die eigene zu behalten. Für solche
Fälle ist aber gerade der Rücktritt vorgesehen. Aus dem Ge-
sichtspunkte des Schadensersatzes dagegen kann der Entgelt
schon um deßwillen nicht verweigert bezw. zurückgefordert
werden, weil der dem Gläubiger zugefügte Schade das Aus-
bleiben der schuldnerischen, nicht die Nothwendigkeit der
eigenen Leistung ist. Da nämlich die letztere, wie schon hervor-
gehoben, auch bei normaler Vertragsvollziehung durch den
Gegner hätte erfolgen müssen, so kann ihre Bewirkung nicht
infolge des schuldnerischen Verhaltens nun plötzlich die Be-
deutung eines Schadens gewinnen, der durch Zurückhaltung
wieder gut zu machen wäre. Es fehlt hier an dem Kausal-
zusammenhang zwischen der Kontraktsverletzung des Gegners
und jener angeblichen Schädigung des Gläubigers.
Nehmen wir aber selbst an, die Enschädigung des Gläu-
bigers müsse in seiner Befreiung von der Gegenverbtndlichkeit
bestehen. Was wäre hier die praktische Folge? Die Libe-
rirung würde nach allgemeinen Grundsätzen jedenfalls nickt
von selbst und unmittelbar (ipso ^ure) eintreten können. Denn
wenn Jemand dadurch geschädigt ist, daß er eine Verbindlich-
keit übernommen hat. so ist es zur Beseitigung dieses Schadens
erforderlich, daß der Berechtigte auf seine Forderung verzichte.
Es würde demnach in unserem Falle der säumige bezw.
teistungsunfähige Schuldner lediglich verpflichtet sein, seinen
Anspruch auf den Entgelt des Gläubigers durch eine aus-
drückliche Willenserklärung aufzugeben, die allenfalls durch
rechtskräftiges Urtheil gemäß § 894 B.G.B. zu ersetzen wäre.
Unter keinen Umständen aber kann aus dem Gesichtspunkte
der Entschädigung der Vertragstreue Theil ohne weiteres frei
werden.

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