Der Kreditvertrag.
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Der Versuch Brinz', den modernen „Realkontrakt" auf
historischer Grundlage aufzubauen, erscheint uns nach dem oben
Gesagten als gescheitert. Angeknüpft hat Brinz bei diesem
Versuch an eine zuerst von Liebe in Lindes Zeitschr. 15. 72
aufgestellte Behauptung. Liebe erklärt a. a. O.: die Real-
kontrakte seien ursprünglich gar nicht Kontrakte gewesen, sondern
es habe sich hier zuerst nur um „einseitige Handlungen" ge-
handelt, an welche das objektive Recht die Entstehung von
Verpflichtungen auf der Seite des Empfängers angeknüpft habe.
III. Diese Behauptung trifft nun, wie oben § 1 I ge-
zeigt, für die Entstehungszeit des Realkontrakts sehr wohl zu,
aber auch nur für diese; darum mußte der Versuch Brinz',
jene Behauptung mit dem späteren römischen und mit dem
heutigen Realkontrakt in Einklang zu bringen, schlechterdings
mißlingen. Ganz neuerdings hat nun Schöninger^) die
historische Einsicht, die jenem Satze Liebes zu Grunde liegt,
zur alleinigen Grundlage der Dogmatik des Darlehens ge-
macht.
Nach Schöningers Auffassung entspringt die Ver-
pflichtung des Darlehensnehmers zur Rückgabe ganz und gar
nicht aus einer jene Rückgabepflicht statuierenden Vereinbarung,
sondern lediglich aus der Hingabe. Es wird geleistet, ohne
daß der Leistung eine eausu zu Grunde liegt, die den Em-
pfänger berechtigt, sie dauernd zu behalten; also kann der
Geber kondizieren; die Klage auf Rückgabe des Darlehens
ist nichts weiter als eine solche eonäietio (Schöninger,
a. a. D. 139 ff.).
Diese Ausführungen entsprechen nun allerdings der ältesten
Entstehungszeit der Realkontrakte, wie oben gezeigt, sehr wohl
— keinesfalls aber können sie für das Darlehen des bürger-
39) Die Leistungsgeschäfte des bürgerlichen Rechts, 1906, S. i39ff.