Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 38 = 2.F. 2 (1898))

Der Sachbesitz nach dem B.G.B.

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st, daß die thatsächliche Gewalt „für einen Anderen", nämlich
den Besitzherrn, ausgeübt wird. Diese Frage wird verneint
werden müssen.
Denn vom Standpunkte sachlicher Beurtheilung ist offen-
bar auch unselbständig") die Inhabung des im fremden
Hause (Privat- oder Gasthause) 'speisenden Gastes an Messer
und Gabel, des Besuchers eines Kaffeehauses an den auf-
liegenden und von ihm zur Hand genommenen Zeitungen, der
Theilnehmer an einer, in irgend einer Gastwirthschaft zu-
sammentreffenden Kegelgesellschaft an Kegeln und Kugeln, des
Miethers eines zur Benutzung während eines Gartenkonzerts
bereit stehenden Sessels15), des Reisenden, welchem ich während
der Eisenbahnfahrt auf seine Bitte mein Kursbuch auf einige
Augenblicke Ici^e16). In allen diesen Fällen übt der augen-
blickliche Inhaber die thatsächliche Gewalt über die Sache
zweifellos für sich und nicht für den Anderen aus, von
welchem diese Inhabung gestattet worden ist.
Die vorhin getroffene Entscheidung, daß man es hier
überall nur mit unselbständiger Inhabung, welche dem die
thatsächliche Gewalt Ausübenden Besitz nicht verschafft, zu thun
habe, findet daher auch im Wortlaute des § 855 keine Stütze
Doch wird man deshalb allein noch nicht behaupten dürfen,
daß in Fällen der bezeichneten Art die Annahme unselbstän-

14) Bergt, meine Ausführungen in diesen Jahrbüchern, Bd 29
S. 358.
15) Besitz im technischen Sinne darf man in diesem Falle dem vor-
übergehenden Inhaber deS Sessels nicht zuschreiben. Die8 wird z. B.
praktisch, wenn der Miether des Sessels denselben nach Beendigung deS
Gartenkonzerts mit sich nehmen will oder bereits mitgenommen hat.
16) Mit Rücksicht auf das im Texte gegebene Beispiel ist es also
auch nicht zutreffend, wenn W e n d t, im Archiv f. d. civilist. Praxis, Bd. 87
S. 65 behauptet, daß Prekaristen stets Selbstbesitzer seien und niemals
zu den Inhabern des 8 858 gehören können.

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