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Sjögren,
Unterschied gebraucht. Eine wirkliche Lösung des Problems
kann durch die Anwendung der formalen Kategorien: Grund
— Ursache, Ursache — Bedingung rc. nicht gegeben werden,
denn diese Begriffe baben außerhalb bestimmter philosophischer
Systeme, auf welche hier nicht einzugehen ist, keinen festen
Inhalt und keine technische Bedeutung. Der Widerspruch
(dies Wort etwa im Sinne der K a n t' schen Antinomien) zwischen
der Regel des Rechts und der des Lebens ist in der That un-
löslich. Er ist aber auch von einer viel allgemeineren Trag-
weite: durch das ganze Gebiet hindurch, in welchem von Gesetz
und Gesetzgebung (im Sinne Kant's) gesprochen werden kann,
geht derselbe Widerspruch. Er findet sich innerhalb des sittlich-
religiösen Lebens 4 5) wie innerhalb der menschlichen Denkthätig-
keit6) und der äußeren Natur, deren Gesetze ja ihrem formalen
Charakter nach denen des Denkens verwandt sind. Es kehrt
überall dieselbe Erscheinung wieder, daß nämlich einerseits die
Gesetzmäßigkeit das Gesetz selbst voraussetzt, andererseits das
Substrat des Gesetzes unabhängig von letztgenanntem irgend
eine Ordnung haben muß, welche die nothwendige Voraus-
setzung für die Wirksamkeit des Gesetzes ist 6). Es mag in-
4) Siehe z. B. Paulus an die Römer 2, u und 4, 15.
5) Vgl. Sigwart, Logik, I S. 21.
6) Der üblichen Terminologie, welche den durch den menschlichen
Willen hervorgerufenen Rechtsfolgen die unmittelbar durch daS Gesetz ver-
anlaßten entgegensetzt, entspricht sachlich eine Dritte an sich mögliche Auf-
fassung, welche bei gewissen Thatbeständen und Rechtsfolgen einen natür-
lichen Zusammenhang entdecken will, bei anderen aber nicht (man vgl. z. B.
Thon, Rechtsnorm und subjektives Recht, S. 363 fg.). Zu der ersten
Gruppe gehören alle Rechtsgeschäfte und deren Rechtsfolgen, zu der zweiten
l>ie Delikte und die Strafen. Siehe z. B. Dernburg, Pand. I S. 208,
Pernice in der Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht, VH,
S. 488. Es muß aber hervorgehoben werden, daß diese Eintheilung alles
nnd jedes Grundes entbehrt. Der menschliche Wille hat innerhalb der
Privatrechtsphäre eine selbständige „Kausationsfähigkeit" (Zitelmann in