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Otto Gierte,
Hält man daran fest, daß eine Körperschaft vor ihrer Ent-
stehung nicht kontrahiren kann, daß aber eine Aktiengesellschaft
erst mit der Eintragung entsteht, so wird man gegen die im
Erk. des R.G. (IV. Sen.) v. 7. Mai 1888 (C.S. XXI Nr. 46)
enthaltene Begründung einer an sich richtigen Entscheidung Be-
denken nicht unterdrücken können. Bei der Simultangründung
einer Aktiengesellschaft batten die Gründer unmittelbar nach
Feststellung des Statuts und Uebernahme sämmtlicher Aktien
in einer besonderen notariellen Urkunde festgesetzt, daß einer
der Gründer ein Grundstück zu einem von der Gesellschaft
durch Schuldübernahme und Aktiengewährung zu berichtigen-
den Preise in Anrechnung auf das Grundkapital einbringe und
daß dieser Vertrag ein integrirender Theil des Gesellschafts-
vertrages sein solle. Das Reichsgericht führt zutreffend aus,
daß hier ein besonderer Vertrag geschlossen sei, der nicht nach-
träglich der bereits fertigen Gründungshandlung einverleibt
werden konnte, und charakterisirt diesen Vertrag behufs Fest-
stellung der Stempelpflicht richtig als Kaufvertrag. Allein es
konstruirt ihn nicht als einen zu Gunsten und zu Lasten eines
künftigen Rechtssubjektes, sondern als einen zwischen der nach
Art. 209 d Abs. 1 des H.G.B. bereits „errichteten" Aktien-
gesellschaft und einem ihrer Gründer geschlossenen Vertrag
(S. 251). Diese Vordatirung der Handlungsfähigkeit einer
noch nicht „entstandenen" Verbandsperson ist nicht nur theo-
retisch unhaltbar, sondern auch praktisch bedenklich. Denn
gerade wenn es sich um einen im Gründungsstadium ge-
schlossenen, aber nicht in die Gründungshandlung aufgenom-
menen Vertrag handelt, muß die Aktiengesellschaft nach ihrer
Eintragung frei zu entscheiden haben, ob sie in den Vertrag
eintreten will oder nicht. Nimmt man aber an, sie habe selbst
kontrahirt, so ist sie gebunden. Eine derartige Auslegung der
in Art. 2094 über den Zeitpunkt der „Errichtung" getroffenen