Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 32 = N.F. 20 (1893))

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Lippmann,

zwei verzinslichen Forderungen, auch wenn sie zu verschiedenen
Zinsfüßen standen, auch wenn bei der einen der Zinsen-
anspruch wegen der größeren Länge der Verfallzeit quantitativ
ein größerer war, doch, wie 1.12 D. 16, 2 sich ausdrückt: „com-
pensatio nihilo minus locum habet ejus, quod invicem
debetur“. Das „quod invicem debetur“ ist hier unzweifel-
haft nur auf die Hauptforderungen zu beziehen *). ' Dann
sagt die Stelle, daß bezüglich der quantitativ ungleichen Zins-
ansprüche doch eine Gleichwerthigkeit derselben anzunehmen und
daher die Zahlung eines rechnungsmäßigen Ueberschusses nicht
solle gefordert werden können. Aber auch, wenn man das
„quod invicem debetur“ auf die Gesammtforderungen an
Kapital und Zinsen beziehen wollte, würde doch das Resultat
das gleiche bleiben: beide Gesammtansprüche würden gegen

pensation, S. 363). Aber auch in dem äußeren Vorgänge beider Akte
sucht die Stelle eine Gleichheit zu konstruiren, indem sie den Zeitpunkt, wo
von beiden Seiten geschuldet worden sei, als denjenigen Zeitpunkt bestimmt,
wo der dem Zahlungsgeschäst adäquate Kompensationsakt für eingetreten er-
achtet werden müsie. Diese Gleichstellung auch der äußeren Vorgänge, die
Charakterisirung der Kompensation als Selbstzahlung, gegenseitige Zahlung
ist nun theoretisch gewiß nicht haltbar. Es ist aber auch daraus für daS
römische Recht immerhin nicht der Satz von der Zinsensistirung zu folgern.
Durch solutio wurde die Obligation des römischen Gläubigers dergestalt ge-
tilgt, daß es für etwa nicht gleichzeitig mitberichtigte Zinsenansprüche keine
besondere Klage mehr gab, solche Ansprüche also in Wegfall kamen. Galt dies
aber für das Geschäft der Zahlung, so konnte auch bei der Kompensation nicht
davon die Rede sein, daß dem einen Gläubiger etwa noch ein Zinsenanspruch
bis zu dem Zeitpunkt, ex quo ab utraque parte debetur, zuständig ge-
blieben wäre. Man hätte sonst die Kompensation noch günstiger als die
Zahlung gestellt. So aufgefaßt, enthält die Stelle gar keinen Widerspruch
zwischen Entscheidung und Motiv, wie Goldschmidt a. a. O., S. 135,
annimmt. Die Entscheidung erscheint vielmehr vollständig rationell.
1) So ist auch in I. 11 D. 16, 2 das „pecunia sine usuris“ und
„pecunia usuraria“ und ebenso in I. 4 C. 4, 31 das „pecuniam invicem
deberi“ nur auf Kapitalforderungen zu beziehen.

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