Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 68 = 2.F. 32 (1919))

8

v. Schwind,

Gedankenwelt, die nicht mehr fest in unserer Erde wurzelt;
vielmehr hat die Konstruktion, soweit sie im Dienste der
Jurisprudenz steht, die Aufgabe, vor allem uns den klaren
Einblick in die einzelnen Rechts- und Lebensverhältnisse zu
erleichtern und zu fördern und Gleichartiges, Zusammenge-
höriges oder mehr oder weniger Verwandtes je als solches
erkennen zu lassen. Ich halte es gar nicht für einen
Tadel, sondern vielmehr für höchstes Lob einer juristi-
schen Konstruktion, wenn man von ihr behauptet, daß
sie für die Regelfälle voll zutrifft, für die Grenzfülle aber
die Abweichungen und Schwierigkeiten erkennen und hervor-
treten läßt^; ich halte eine solche für viel besser als jene
anderen, die zwar auch den Grenzfällen ebenso glatt und
unverändert sich anpaffen läßt wie den Regelfällen, aber nur
um den Preis, daß sie diesen selbst eigentlich nicht mehr ge-
recht werden, weil sie für diesen Zweck aus ihnen in höchster
gedanklicher Abstraktion Fleisch und Blut und Kraft und
Leben zuvor hinwegnehmen mußte. Mag es sonst oft Ge-
schmacksache sein, ob man unter den möglichen Konstruktionen
der einen oder der anderen den Vorzug geben will, für die
positive Jurisprudenz scheint mir die hier gekennzeichnete
Richtung höchst bedenklich wegen der zu großen Entfernung
vom lebensvollen Gehalte, wegen der Zusammenfassung und
vielfach ungesunden Verschweißung der Regelfälle mit den
davon sich oft namhaft unterscheidenden Grenzfällen zu
einer Masse und endlich auch noch aus einem methodischen
1) Mit einem Hinweise dieser Art glaubt O. Schreiber
a. a. O. 273 eine Reihe der bisherigen Definitionen der Sachhaftung
verurteilt zu haben. Wenn er dabei von ungelösten Schwierig-
keiten in den Grenzfällen spricht, so bliebe freilich erst die Frage noch
im einzelnen zu untersuchen, ob diese Schwierigkeiten so ungelöst
sind, wie O. Schreiber vermeint. Vgl. dazu die unten folgenden
näheren Ausführungen.

Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer