Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 65 = 2.F. 29 (1915))

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Wurzer,

Rechtsmittel, nicht aber durch eine gewöhnliche Klage herbei-
geführt werden kann; und so übt die reichsgerichtliche Klage im
Hinblick auf den rechtskräfttg entschiedenen Prozeß in der Tat
eine prozessuale Wirkung aus. Die Ausführungen des Reichs-
gerichts wollen das rechtskräftige Urteil spalten, um es auf
diese Weise in mehrere Teile zu zerlegen und dann dem
wichtigsten Teile seine Kraft zu nehmen. Diese Spaltung
geschieht, indem zunächst gesagt wird, der Bestand des Urteils
„an sich" solle nicht in Frage gestellt werden, oder, wie es in
einem anderen Urteils heißt, das Urteil „als solches" solle in
seinem Bestände nicht angetastet werden; nur solle der Sieger
an der Ausübung seiner Urteilsrechte gehindert werden. —
Damit wäre dann das Urteil zerlegt in seinen Inhalt und
in seine Form; der Inhalt, die Urteilsrechte, werden ihm
genommen; die äußere Form, die Urteilsurkunde, bleibt als
leere Hülle übrig. Diese künstliche Scheidung, welche das
Urteil beseitigen und dabei doch den Schein eines gesetz-
mäßigen Vorgehens wahren soll, scheitert an der Unteilbar-
keit des rechtskräftigen Urteils. Sein Wesen besteht gemäß
feinem Zweck gerade darin, daß im Prozesse, im Gebiete
der rechtsschaffenden Formen, für den Sieger ein unantast-
bares und gegen den Besiegten unaufhaltsam verwendbares
Recht geschaffen wird; mit dieser Rechtsverleihung ist es
aber begrifflich unvereinbar, wenn in einem neuen Prozeß
derselben Parteien durch ein neues Urteil dem Sieger die
Urteilsrechte abgesprochen werden. Das ist Aufhebung des
angegriffenen Urteils, und das neue Urteil übt dieselbe
Wirkung aus wie eine im Rechtsmittelverfahren ergangene
Entscheidung. Es ist gleichgülttg, ob im Rechtsmittelver-
fahren unter Aufhebung des rechtskräfttgen Urteils Kläger

1) RGE. 75, 215.

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