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Franz Leonhard,
Nehmen wir dann weiter an, daß der Schuldner wahlberechtigt
und in Verzug gesetzt oder auch schon verklagt sei. Wird hier
die eine Leistung unmöglich, so vereinfacht sich die Schuld auf
die andere (§ 264). Aus dieser Vorschrift ist nun weder für
noch auch gegen die Rückwirkung etwas zu folgern. Denn
hier kommt es eben wegen der Konzentration überhaupt gar
nicht zu einer Wahl: und es läßt sich daher auch nicht fragen,
welche Wirkungen dann die Wahl habe. Anders verhält es
sich dagegen, wenn der Schuldner alternativ verurtheilt ist und
der Gläubiger darauf nach § 264 seinerseits wählt. Wenn
diese Wahl wirklich auf das Entstehen der Wahlschuld zurück-
wirkte, so müßte man folgerichtig annehmen, daß der Schuldner
mit dieser Leistung von der Mahnung an in Verzug gewesen
sei. Zum mindesten steht diese Auffassung der völlig gleich,
von der die Gesetzgeber bei der Vorschrift des § 263 II aus-
gegangen sind: nämlich daß eine Haftung wegen fahrlässiger
Zerstörung der einzelnen Leistung möglich sei. Trotzdem ist
eine solche Haftung des Schuldners für Verzug schwerlich an-
zuerkennen. Aus der Eigenart der Wahlschuld ergiebt sich
eben, wie nach gemeinem, so auch nach bürgerlichem Rechte,
daß ein Verzug bezüglich der einzelnen Leistungen undenkbar
ist. Danach zeigt sich aber auch, daß der Grundsatz der Rück-
wirkung eine ernstliche Durchführung nicht verträgt. Man
könnte vielleicht einwenden wollen, das Urtheil gegen den
Schuldner gehe nur auf die eine oder andere Leistung, nicht
aber auf Schadensersatz — und das sei der Grund, der dessen
Forderung ausschließe. Aber wenn ein solcher Anspruch wirklich
bestände, so könnte der Gläubiger ihn ja in einer neuen Klage
geltend machen. Oder man könnte sich darauf berufen, daß
der Schuldner eben bis zur Vollstreckung auch das Wahlrecht
habe. So richtig das ist, so würde es aber dann nicht in
Betracht kommen können, wenn die Wahl thatsächlich auf den
Anfang zurückwirkte.