Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 62 = 2.F. 26 (1913))

Der Begriff des Prozeßvergleichs usw. 345
Diese Feststellung leitet zu der Frage über, in welchem
Zeitpunkte die Parteien an ihre Beredung gebunden sind.
Wenn die Parteien bei der mündlichen Abrede erklären, sie
wollten nicht eher gebunden sein, als bis der Vergleich nieder-
geschrieben und genehmigt sei, so sind sie selbst und das Gericht
hieran gebunden, keine der Parteien kann an dem Vereinbarten
festgehalten werden, wenn sie bis zur Genehmigung ihren
Willen widerruft. Dies muß aber auch ohne besondere Ab-
machung gelten, weil es ebenso dem stillschweigend erklärten
Willen der Parteien entspricht wie ihr Wille, daß sie nur
einen protokollierten Vergleich schließen wollen. Wie die täg-
liche Erfahrung lehrt, werden die meisten Vergleiche erst nach
streitiger Verhandlung auf Anregung des Richters geschlossen.
Nach längerem Hin- und Herreden ist man endlich einig ge-
worden, aber diese Einigkeit ist doch häufig nur von allge-
meiner Art. Wenn der Vergleich niedergeschrieben wird, er-
heben sich neue Bedenken, es zeigen sich Folgen, die nicht
beabsichtigt waren, und es müssen Mittel ergriffen werden,
um neuen Streitigkeiten vorzubeugen, auch werden neue Forde-
rungen geltend gemacht. Mit einem Worte, das Vertrag-
schließen ist noch in vollem Fluß und erreicht erst sein Ende,
wenn die zum Vertrag erhobenen Bestimmungen niederge-
schrieben und dann nach Vorlesung genehmigt find. Dies
entspricht der Entstehungsweise der Vertrüge und insbesondere
der Vergleiche, die doch aus einem Kampfe hervorgegangen
sind; es entspricht deshalb auch dem Willen der Parteien;
es würde der natürlichen Anschauung zuwiderlaufen, wenn
die Parteien schon an das mündliche Abkommen gebunden
sein sollten. Aus dieser Betrachtung ergibt sich als Regel,
daß der Vergleich erst bindend zustande kommt, wenn die
Genehmigung des Protokolls ausgesprochen ift104). Zu weit

104) So auch Meyer in BuschsZ. 21, 402.

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