Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 62 = 2.F. 26 (1913))

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Wurzer,

das Vergleichschließen, eine der wichtigsten und verantwortungs-
vollsten Verfügungen im ganzen Prozeß, von der durch den
Anwaltszwang bezweckten Sicherung der Parteien hätte be-
freien wollen, liegt so fern und widerspricht so sehr der natür-
lichen Anschauung, daß man im Zweifel der abweichenden
Meinung nicht folgen kann^).
Wie sich das bürgerliche Recht und das Prozeßrecht in
die Herrschaft über den Prozeßvergleich teilen, mag schließlich
folgendes scharfe Bild zeigen. Als prozessuale Handlung kann
der Prozeßvergleich vor den Kollegialgerichten nur durch den
prozeßbevollmächtigten Anwalt geschlossen werden, nicht durch
die Partei selbst. Nun gibt es gewisse Erklärungen, die nach
dem bürgerlichen Rechte nicht durch einen Vertreter, sondern
nur von dem Erklärenden selbst abgegeben werden können,
z. B. bei dem Erbverzichtsvertrag die Erklärung des Erblassers,
§ 2347 BGB. Auch kann ein solcher Erbverzicht Gegenstand
eines Prozeßvergleichs sein. Aber vor dem Kollegialgericht
kann er nicht geschlossen werden, weil weder die Partei noch
der Vertreter zur Abgabe der Erklärung befugt sind. Deshalb
kann ein Vergleich nur vor einem beauftragten oder ersuchten
Richter zustande kommen 95). Dura lex sed lex.
In welchen Formen ist der Prozeßvergleich ab-
zuschließen?
Die Form des Prozeßvergleichs ist die des Sitzungs-
protokolls. Nach § 159 ist über die mündliche Verhandlung
ein Protokoll aufzunehmen. In den §§ 159—164 ist geregelt,
wie das Protokoll aufzunehmen ist und was darin aufzu-
nehmen ist; zu den Gegenständen, „die durch Aufnahme in
das Protokoll festzustellen sind", gehört auch der Vergleich.
94) Gegen den Anwaltszwang Lehmann 163fl.
95) Dronke 64; RGE. 48, 190; Lehmann 165.

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