Full text: Zeitschrift für deutsches Staatsrecht und deutsche Verfassungsgeschichte (Bd. 1 (1867))

456 Ueber den Begriff des Staatsrechts im Allgemeinen
Es kommt also Alles darauf an, was von den betreffenden Völkern als
zu diesen Principien gehörig anerkannt worden ist. So könnte z. B. in
einem Völkersysteme, welches den Republicanismus als Staatsform für
alle dazu gehörigen Staaten zu einem seiner Principien erhoben hätte, kein
einzelnes Glied die Monarchie für sich einführen, ohne aus dem System
auszuscheiden oder den Krieg des ganzen Systems gegen sich hervorzurufen,
wenn dieses die Trennung nicht gestatten wollte. *) Es ist dabei ganz
gleichgültig, ob und in wie ferne man anderwärts den Staatsformen der
Monarchie und der Republik auch eine principielle Bedeutung beilegt oder
gar beide mit einander verbinden zu können glaubt. Die Anwendung un-
seres Satzes auf andere rein principielle Gegensätze, z. B. von Freiheit
und Sclaverei, Absolutismus und Constitutionalismus, Einheit einer ge-
wissen als politisch ausschließlich berechtigten Nationalität oder Religion
und Aufnahme fremder, Austritt verwandter Stämme oder Religionstren-
nung u. s. w., macht sich von selbst. Wir können aber schon hier anfügen,
daß ein Staatensystem diesen Namen nicht vollkommen verdient, wenn es
einerseits das monarchische Princip als sein Hauptprincip auf seine Fahne
schreibt, andererseits republicanische Gliederstaaten duldet; denn entweder
ist das angebliche Princip kein wahres Staatsprincip, oder das Ganze ist
kein wahres Staatensystem, woraus folgt, daß die Glieder keine vollkom-
mene Staaten sind — was dann von den betreffenden Monarchien nicht
minder gilt, als von den Republiken.
d) Der Mensch, die Persönlichkeit und die maßgebenden Ansichten
darüber sind daher wirklich die Grundlagen auch allen Völkerrechts, seiner
Wahrheiten wie Irrthümer, seiner Aufrechterhaltung wie Verletzung, seiner
Grenzen und seines Inhalts — ja, auch seines gänzlichen Mangels. Die
Idee einer ausschließlichen Berechtigung nur einer einzigen bestimmten
Nationalität auf Selbständigkeit in der Welt und was dafür gilt, die
Weltherrschaft, die Menschheitsstaatsidee u. s. w. sind, wie die Idee einpr
absoluten Jsolirung eines einzelnen Volks, gleich menschheits- und völker-
rechtswidrig, daher auch ebenso wenig jemals vollkommen realisirt worden,
wie jedes Ideal einer durch unverbrüchlichen Frieden definitiv geordneten
gesammten Menschheit.
e) Bei einem völkerrechtlich begründeten Zustand kann die materielle
Machtverschiedenheit der Glieder des fraglichen Völkersystems keinen for-
mell-rechtlichen Einfluß auf das Recht resp. den Grad ihrer politischen

*) Dies ist auch ohne Zweifel der tiefste Sinn der amerikanischen s. g. Monroe-
Doctriu, gleichviel, ob man der Ansicht ist, anch für Amerika werde einmal die Zeit der
Monarchie kommen, oder ob man für die ganze gegenwärtige Culturwelt die Republik
als die Staatsforin der Zukunft erachtet.

Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer