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W. v. Blume,
Nachweise des Daseins eines Nechtssatzes die Behauptung ge-
nügen, daß „die Billigkeit ihn fordert".
Der Gefahr, durch das Billigkeitsgefühl über die Schranken
des Rechts hinausgerissen zu werden, ist sogleich derjenige Schrift-
steller erlegen, dem wir die Entdeckung unseres Problems ver-
danken: Habichts. )m Eingänge seiner Ausführungen regt
er die analoge Anwendung des § 162 an — ein Gedanke,
auf den nachher noch genauer einzugehen sein'wird. Die Mög-
lichkeit, mit Hilfe von § 162 vorsätzlicher Vereitelung des Em-
pfanges von Willenserklärungen entgegenzuireten, genügt
Habicht nicht. Er möchte in allen Fällen helfen, wo auf
Seite des Angesprochenen liegende Umstände den Empfang
der Erklärung verhinderten. Die Hilfe aber findet er in der
Fiktion, daß die Erklärung empfangen sei — trotz Verhinde-
rung des Empfanges. Und die Begründung?
Mit § 130, der ein Hindernis zu bilden scheint, findet fich
Habicht so ab: „§ 130 sagt nicht, daß eine Willenserklärung
dem Abwesenden gegenüber nur im Falle des Zugehens wirksam
wird, sondern daß sie jedenfalls dann wirksam wird."
Wann sie sonst noch wirksam werden kann, ob sie also nicht
schon bei der Abgabe wirksam wird, „das haben Wissenschaft
und Rechtsprechung festzustellen". Aber: Wie? Darüber äußert
sich Habicht nur im Hinblick auf den Fall der Verhinderung
des Zugehens der Erklärung 1 2). „Der entscheidende Gesichts-
punkt", sagt er, „ist der, daß es durch nichts zu rechtfertigen
wäre, den Gegner ein ihm eingeräumtes Recht darum ein-
büßen zu lassen, weil auf Seiten des Adressaten Umstände
Vorgelegen haben, die die Erklärung über die Ausübung des
1) DIZ. 1901 S. 265 fg.
2) Gegen die Auslegung, die Habicht dem § 130 gibt, vergl.
Holder in der DIZ. I9in S. 341 fg.