Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 51 = 2.F. 15 (1907))

Wahrheit und Offenheit im Aktienrecht.

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gebrachten Tatsachenmaterial selbst Herstellen können. Sehr
viele Geschäftsberichte tragen einen ganz farblosen Charakter,
enthalten nur ein sehr dürftiges Tatsachenmaterial, und doch
genügen sie den Anforderungen des Gesetzes: sie sind wahr
und verschleiern nichts. Andere sind ausführlicher, aber auch
die umfangreichsten verschweigen naturgemäß die große Fülle
der geschäftlichen Vorkommnisse, auf denen sie ihre Schluß-
folgerungen aufbauen. Daraus scheint schon hervorzugehen,
daß es nicht möglich ist, allgemeine Regeln über den not-
wendigen Inhalt eines Geschäftsberichts aufzustellen. In der
Tat hat auch das Reichsgericht in dem oben bereits erwähnten
wichtigen Erkenntnisse vom 24. Oktober 1905 (Entscheidungen
in Strafsachen 38, 197) ausdrücklich erklärt, daß dafür die
Erwägungen maßgebend sein müssen, welche im
einzelnen Falle die Sorgfalt eines ordentlichen
Geschäftsmannes anzustellen gebietet (HGB. § 241
Abs. 1, § 249 Abs. 1), und diese Ansicht ist meines Erachtens
die einzig haltbare. Wird also in dem Geschäftsbericht eine
Tatsache erwähnt, welche unbeschadet der vom Gesetz verlangten
Wahrhaftigkeit unerwähnt bleiben durfte, und gereicht die Mit-
teilung dieser Tatsache der Gesellschaft zum Schaden, so haben
die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat dadurch ihre
Pflichten nach § 241 und § 249 verletzt und können mög-
licherweise, falls nämlich die Voraussetzungen des § 312 vor-
liegen, sogar bestraft werden. Wird umgekehrt eine Tatsache
im Geschäftsbericht nicht erwähnt, deren Mitteilung notwendig
war, um dem Leser ein wahres und unverfchleiertes Bild von
dem Geschäftsstande oder der Rentabilität des Unternehmens
zu gewähren oder um die Bilanz nicht günstiger erscheinen zu
lassen, als sie in Wirklichkeit ist, oder um die Generalversamm-
lung bei ihrem Beschlüsse vor einer unbeabsichtigten Gesetzes-
oder Statutenverletzung zu bewahren, so haben die Mitglieder
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