Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 51 = 2.F. 15 (1907))

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Victor Ehrenberg,

allerdings einen richtigen Gedanken, und ich komme später auf
sie zurück, aber in solcher Allgemeinheit ist sie nicht zu billigen.
Es fragt sich also, wie weit geht die Pflicht der Offen-
heit beim Geschäftsbericht? Es fragt sich insbesondere, ob für
die zu treffende Auswahl aus den tatsächlichen Vorgängen des
letzten Geschäftsjahres allgemeine Regeln ausgestellt werden
können, oder ob dies für jeden einzelnen Fall dem pflicht-
mäßigen Ermessen der Geschäftsorgane überlassen werden muß.
Wir werden der Beantwortung dieser Frage näher kommen,
wenn wir von der Aufgabe ausgehen, die der Geschäfts-
bericht zu erfüllen hat. Diese Aufgabe ist eine doppelte: ein-
mal Erläuterung der Bilanz (und der Gewinn- und Ver-
lustrechnung, siehe oben S. 294), er soll also den aus diesen
Aufzeichnungen nur zahlenmäßig erkennbaren Vermögensstand
materiell erklären, und sodann Ergänzung der Bilanz,
er soll also die gesamte Geschäftslage und die Renta-
bilität des Unternehmens darstellen, und zwar richtig dar-
stellen.
Aus dieser zweiten Aufgabe ergibt sich ohne weiteres
ein markanter Unterschied von der Bilanz: der Geschäftsbericht
hat auch solche Umstände zu berücksichtigen, welche erst nach
Abschluß des Geschäftsjahres eingetreten sind,
falls sie die Aussichten des neuen Geschäftsjahres ungünstig
beeinflussen; aber damit ist nicht gesagt, daß diese Umstände
ausdrücklich angegeben werden müssen (das könnte für die Ge-
sellschaft sehr gefährlich werden), sondern daß die Verfasser des
Geschäftsberichts verpflichtet sind, richtige Schlußfolgerungen
aus ihnen wie überhaupt aus sämtlichen in Betracht kommen-
den Umständen zu ziehen und dementsprechend das Gesamtbild
von der Geschäftslage der Gesellschaft richtig zu entwerfen. Das
Resultat ihrer Darstellung muß ein getreues Bild sein,
aber dieses Bild beruht eben auf Schlußfolgerungen,
nun und nimmermehr hätte es sich der Leser aus dem bei-

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