Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 51 = 2.F. 15 (1907))

Versäumnis des Empfanges von Willenserklärungen.

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bestimmten Aufgabe, die es stellt. Es richtet eine Forderung
an das äußere Perhalten des einzelnen und knüpft daran die
Pflicht, das äußere Verhalten sorgfältig einzurichten. Es fordert
sorgfältiges Handeln und Unterlassen.
Es ist daher fehlet Haft, von einem „Verschulden", einer „Fahr-
lässigkeit" schlechthin zu sprechen, ohne zugleich zu sagen, welche
Aufgabe der Sorgfalt des Beschuldigten gestellt war. Das
Gesetz allerdings begeht diesen Fehler an verschiedenen Stellen,
so in § 254 und in § 989, und das Reichsgericht wiederholt
ihn in der hier zur Erörterung gestellten Entscheidung (a. a. O.
S. 409). Das darf uns aber nicht abhalten, die Untersuchung
über die Folgen fahrlässiger Versäumnis des Empfanges von
Willenserklärungen mit der Frage zu beginnen, ob und unler
welchen Voraussetzungen denn das Gesetz vom Adressaten einer
Willenserklärung verlange, daß er sie in Empfang nehme.
Man wird unbedenklich mit Titze sagen dürfen, daß es
eine allgemeine Pflicht zum Empfang von Willenserklärungen
nicht gibt. Eine solche Pflicht kann öffentlich-rechtlich begründet
sein. Sie kann sich aber auch aus einem besonderen zwischen
den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnisse ergeben. Ende-
mann (Bd. 1 § 66 Anm. 23; vergl. auch Dern bürg § 132
Anm. 21; Erome 1, 394) will eine Pflicht, für Kündigungen,
Mahnungen u. dergl. Erklärungen bereit zu stehen, allgemein
anerkannt wissen. Eine andere Begründung als die Berufung
auf „Treu und Glauben" hat er für diese Ansicht nicht gegeben
— sie dürfte auch schwerlich zu finden sein. So wenig der
Gläubiger verpflichtet ist, die Leistung anzunehmen, so wenig
rst er verpflichtet, sich kündigen zu lassen. Denkbar wäre es
aber, eine Bereitschastspflrcht herzuleiten aus dem Vertrags-
antrage. An seinen Antrag ist nach § 145 der Antragsteller
„gebunden". Heißt das: er ist verpflichtet, die Annahme-
erklärung in Empfang zu nehmen?

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