Volltext: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 47 = 2.F. 11 (1904))

Zeitpunkt des Zugehens bei Willenserklärungen. 385
die keine Stufe zeigen, in die man treten und von der aus
man seinen Fuß weitersetzen kann. Vielmehr wird durch
sie nur die weitere Frage aufgerollt: wann ist eine Willens-
erklärung in den Herrschaftsbereich eines anderen ge-
langt; wann ist dem Empfänger die Möglichkeit der
Kenntnisnahme verschafft? Wer sich der Antwort hierauf nicht
einfach dadurch entziehen will, daß er die Frage für eine
quaestio facti erklärt, wird diese vulgären Begriffe meines
Erachtens nur dadurch in juristische umwandeln können, daß
er an ihre Stelle den Erwerb der tatsächlichen Gewalt
über das die Willenserklärung enthaltende Schriftstück setzt.
Damit tritt der Begriff des Besitzerwerbes in unseren
Gesichtskreis. Denn wer die tatsächliche Gewalt über eine
Sache erlangt hat, ist ja nach B.G.B. § 854 ihr Besitzer ge-
worden.
Die Verwertung des Besitzbegriffes für die Definition des
Zugehens liegt außerordentlich nahe. Die herrschende Meinung
aber lehnt diesen Gesichtspunkt teils ausdrücklich, teils still-
schweigend ab^). Gegen seine Heranziehung müssen also
Personen und Sachen, die die nähere Umgebung und die Basis seiner
Lebensführung bilden.
14) Anfänglich, d. h. vor und kur; nach dem Inkrafttreten des B.G.B.
hat man ihn sehr wohl beachtet: vergl. Thiele, Die Kündigung nach dem
B.G.B. (Arch. f. d. civilistische Praxis, Bd. 89 S. 136); Kuhlenbeck,
Von den Pandekten zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. i S. 318; die
beiden ersten Auflagen von Fischer-Henle's Handausgabe, Anm. 3 zu
8 130. Aber neuerdings will man, wie es scheint, nichts mehr von ihm
wissen. Ausdrücklich zurückgewiesen wird das Moment des Besitzerwerbes
von Rudolf Leonhard, a. a. O. S. 284, Franz Leonhard,
a. a. O. S. 36 s. und Hölder, S. 292. Zweifelnd Zitelmann,
a. a. O. S. 104. Dernburg und Planck betonen nur, daß der Be-
sitzerwerb am Schriftstück nicht ausreichend sei (was richtig ist), ohne sich
darüber zu äußern, ob er denn zur Verwirklichung des Zugehens erforder-
lich sei (a. a. O. S. 398 und S. 234). Hingegen kormut das Reichs-
gericht unserer Auffassung sehr nahe, wenn es in einem Urteile vom
XI.VII. 2. F. XI. 25

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