Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 47 = 2.F. 11 (1904))

Zeitpunkt des Zugehens bei Willenserklärungen.

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gehen" nur dann als brauchbar bezeichnet werden, wenn sie
uns in den Stand setzt, den hier fraglichen Zeitpunkt in jedem
einzelnen Falle womöglich nach Stunde und Minute genau
zu bestimmen. Entsprechen die in der Literatur austauchenden
Begriffsbestimmungen diesem Erfordernis? So wenig sie in
ihrem Wortlaut miteinander übereinftimmen, lausen sie doch
in der Hauptsache allesamt darauf hinaus, daß sie das ..Zu-
gehen" der Willenserklärung in den Augenblick verlegen, wo
der Empfänger ..unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit
der Kenntnisnahme" erwirbt, wo das Schriftstück ..in verkehrs-
üblicher Weise" in seine „Macht" oder in seinen „Herrschafts-
bereich" cintritt9).
Der gesetzgeberische Gedanke, der der Empfangstheorie zu
Grunde liegt, wird durch diese Wendungen sachlich richtig
wiedergegeben. Er geht offenbar10) dahin, daß es das der
Logik Entsprechendste wäre, eine Willenserklärung erst dann in
Wirksamkeit treten zu lassen, wenn sie zur Kenntnis des
Destinatärs gelangt ist; daß bei dieser Art der Normierung
aber der Absender zu kurz käme, weil sie ihn hinsichtlich etwaiger
die Kenntnisnahme verhindernden Umstände länger mit der Ge-

9) Siehe die Definitionen bei Planck, Kommentar, Bd. 1 (3. Aufli.
S. 206 und 233; Reh dein, Kommentar, Bd. 1 S. 123; Holder,
Kommentar, S. 291; Riezler in Staudingers Kommentar, Bd. i
(2. Aust.) S. 334 und 382; Fischer-Henle, Handausgabe (6 Aust.»,
S. 68; Neumann, Handausgabe, Bd. i (3. Aust.) § 130; Dern-
burg, Bürgerl. Recht, Bd. i S. 398; Endemann, a. a. O. S. 311;
Cosack, Lehrbuch, Bd. i (4. Aust.) S. 180; Crome, System, Bd. i
S. 393; Enneccerus-Lehmann, Lehrbuch, Bd. i (2. Aust.) S. 187;
Matthiaß, Lehrbuch, Bd. 1 (3. Aust.) § 49; Goldmann-Lilien-
thal , Das B.G.B., Bd. i <2- Aust.) S. no; Rudolf Leonhard,
a. a. O. S. 284; Franz Leonhard, a. a. O S. 37; Jsay, a. a. O.
S. 91.
10) Bergl. Motive, Bd. 1 S. 156/7; Regelsberger, Pand.,
Bd. i S. 553, und Holder, a. a. O.

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