Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 47 = 2.F. 11 (1904))

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Heinrich Litze,

Ueberemstimmung mehr negativer als positiver Art. Denn es
sagt uns nur, daß zur Wirksamkeit einer schriftlich abgegebenen
Willenserklärung einerseits ihr Niederschreiben bezw. Absenden
nicht genügend, andererseits ihre Kenntnisnahme durch den
Adressaten nicht erforderlich ist 2).
Wo aber der Zeitpunkt des Wirksamwerdens tatsächlich
liegt, darüber gibt uns die Empfangstheorie als solche keine
sichere Auskunft. Sind doch die Begriffe „Empfang" und
„Zugehen" nichts weniger als eindeutig ^). Und doch muß
gleitet sein. Da wir es im folgenden nicht mit den mündlichen Willens-
erklärungen zu tun haben, kann auch die Frage unerörtert bleiben, ob bei
ihnen in Ansehung des „Zugehens" wiederum zwischen Erklärungen unter
Anwesenden und solchen unter Abwesenden unterschieden werden muß. Bei
den durch Uebergabe eines Schriftstücks erfolgenden Willenserklärungen
wird es sich nur selten um Erklärungen unter Anwesenden handeln. Sollte
einmal eine Partei zu dieser hier ungewöhnlichen Art der Willensüber-
mittelung greifen, so würde jedenfalls der Begriff des Zugehens kein
anderer als bei den Willenserklärungen unter Abwesenden sein: die für die
letzteren Fälle aufzustellende Definition würde also auch dort anzuwenden sein.
— Nicht zu den empfangsbedürftigcn Rechtsgeschäften im technischen Sinne
gehören die einer Behörde gegenüber abzugebenden Willensertlärungen
(B.G.B. § 130 Abs. 3). Auch sie sind nicht Gegenstand dieser Erörterungen.
Bei ihnen läßt sich die Frage nach dem Zeitpunkt des Zugehens nur unter
gleichzeitiger Berücksichtigung der öffentlich rechtlichen Natur jener
Anstalten beantworten. Im einzelnen ist hier, wie ein Blick in die von
Jebens, Präsentatum, Briefkasten und andere Empfangseinrichtungen
der Behörden (Preußisches Verwaltungsblatt, Jahrg. 24 S- 773 ff.), mit-
geteilte Judikatur lehrt, noch vieles dunkel und umstritten.
2) Damit ist natürlich nicht gesagt, daß bei schriftlichen Willens-
erklärungen die Kenntnisnahme seitens des Adressaten rechtlich unter allen
Umständen bedeutungslos sei. Nur für die Vollendung des Zugehens spielt
sie keine Rolle. Wohl aber kann sie aus anderem Grunde, z. B. für den
Umfang einer infolge der Willenserklärung entstehenden Herausgabepflicht
ivergl. B.G.B. § 8i9), in Betracht kommen.
3) Mit Recht sagt Franz Leonhard in diesen Jahrbüchern, Bd. 41
S. 34: „Der „Ausdruck »Zugehen« bezeichnet nur ein Gelangen zum
Adressaten, läßt aber nicht erkennen, wie weit die Erklärung gelangen
muß." Vergl. auch Zitelmann, Die Rechtsgeschäfte im Entwurf eines
B.G.B., i. Teil (Berlin 1889), S. 104.

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