Full text: Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege in Preußen (Bd. 4 (1870))

Laband: Das Budgetrecht nach den Bestimmungen

Die Feststellung des Etats muß dem geltenden Recht
gem äß geschehen
und daran ist die Volksvertretung eben so sehr gebunden wie die Re-
gierung. Soweit gültige Gesetze bestehen, welche irgend welche Einnah-
men oder Ausgaben direkt oder indirekt bestimmen, ist bei der Feststellung
des Etats für die freie Willensentschließung eine Schranke gezogen, de-
ren Respektirung sowohl für die Regierung, wie für den Landtag eine
staatsrechtliche Pflicht ist.
Da nun aber nicht die gesammte Verwaltung durch Gesetze dirigirt
und gebunden ist, sondern ein bedeutendes Gebiet für freie Entschlüsse
und Handlungen bleibt, so ist auch bei der Feststellung des Etats nur
-ein Theil der Positionen durch .die bestehenden Gesetze von selbst gegeben
und es bleibt immer noch ein freier Spielraum für die politische und
administrative Erwägung.
Die Beantwortung der Frage, in wie weit die Volksvertretung be-
rechtigt ist, den von der Regierung vorgelegten Etat zu amendiren, also
einzelne-Posten zu streichen, herabzusetzen, oder zu erhöhen, erfordert dem-
nach eine Theilung des Etats in zwei intellectuelle Gebiete, in das vom
bestehenden Recht umgrenzte und erfüllte und in das außerhalb desselben
liegende.
In Beziehung aufdie ordentlichen Ei »nahmen ist das durch
das Gesetz ausgefüllte Gebiet das weitaus größte. Natürlich gilt dies nur
von den Einnahme-Titeln, nicht von den Summen. Die letzteren lassen
sich nur in wenigen Fällen mit Sicherheit sixiren. Ihre Veranschla-
gung erfolgt nach den Erfahrungen, welche die Finanzwissenschaft ge-
sammelt und geordnet hat. Die Angabe der einzelnen Summen ist
das Resultat einer kalkulatorischen und wissenschaftlichen Thätigkeit, also
weder ein Akt der Gesetzgebung noch der Verwaltung im eigentlichen
Sinne. Allerdings unterliegt auch dieser Theil des Etats der Kritik
des Landtages. Es ist möglich, daß in der Regierungsvorlage die Ein-
nahmen zu niedrig veranschlagt werden, um den Landtag zur Bewilli-
gung außerordentlicher Einnahmen oder neuer Steuern zu bewegen, oder
daß die Einnahmen zu hoch angesetzt werden, um den Landtag zur Ge-
nehmigung gewisser Ausgaben geneigter zu stimmen. Der Landtag kann
daher auch seinerseits selbstständig die Regeln und Erfahrungen, deren
Inbegriff die Finanzwifsenschaft bildet, bei der Veranschlagung der Ein-
nahmen in Betracht ziehen und vielleicht zu einem anderen Resultat
kommen, als die Regierung. Die Diskussion eines derartigen Wider-
streits hat aber lediglich den Charakter eines finanzwissenschaft-
lichen Streits, einer theoretischen Kontroverse. Durch die
Praxis wird sehr bald eine Einigung über die hier zu befolgenden An-
sichten erzielt und einer künftigen Erneuerung der Kontroverse vorgebeugt
werden. Man legt die Ergebnisse der letztvergangenen Jahre, die that-
sächlich feststehen, also keiner Meinungsverschiedenheit mehr unterliegen,
zu Grunde und ermittelt aus dem Durchschnittsertrage derselben den
wahrscheinlichen Ertrag des künftigen Jahres. Aber auch wenn keine
Einigung erzielt werden sollte, ist eine solche Meinungs-Differenz zwi-
schen Regierung und Landtag, eben wegen der rein theoretischen Natur

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