Besprechung reichsgerichtlicher Entscheidungen.
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3) Kann der Eid nach den Vorschriften der C.P.O.
zurückgeschoben werden?
Der III. Eivilsenat des Reichsgerichts hat sich in einem
Urtheile vom 23. Januar 1894, Entsch. Bd. XXXII Nr. 41
S. 159 ff. zunächst mit der ersten Frage beschäftigt und sie
verneint. Die Begründung läßt keinen Zweifel darüber, daß
der Senat auch die zweite und dritte Frage mit Nein beant-
wortet haben würde, wenn darüber zu entscheiden gewesen
wäre.
Mancher Satz in der Begründung dieses Urtheils dürste
beim Lichte kritischer Beleuchtung schweren Stand haben.
Gleich der Eingang ist bedenklich.
„Wie auch der Revisionskläger annimmt, hängt die
Entscheidung von Beantwortung der Frage ab, ob die
römischrechtliche Vorschrift rücksichtlich des beim Oralsidei-
kommisse allein in Betracht kommenden Eides des One-
rirten dem materiellen Rechte oder — als eine Beweis-
vorschrist — dem Prozeßrechte angehört. Im elfteren
Falle wird sie durch den 8 14 Ziff. 2 des Einführungs-
gesetzes nicht berührt, in letzterem Falle wird durch diesen
Paragraphen die von Iustinian angeordnete Ausschließ-
lichkeit des Eides beseitigt."
Als ob man zwischen dem materiellen Rechte und dem Prozeß-
rechte stets so reinliche Scheidung durchführen könnte!
Und dann wieder:
„Der jetzt erkennende Senat hat sich mit einer Mehr-
zahl von Gerichtshöfen für die materiellrechtliche
Natur des Eides entschieden."
Was soll hier „materiellrechtliche Natur" des Eides heißen?
Von materiellrechtlichem Eide kann man sprechen, wenn eid-
liche Bekräftigung außerhalb eines Rechtsstreits zu leisten
ist, wie z. B. die eidliche Bekräftigung des Inventars durch
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