Full text: Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Bd. 34 = N.F. 22 (1895))

Besprechung reichsgerichtlicher Entscheidungen.

379

2) Eine praktisch wichtige Frage wird in der Entscheidung
vom 12. April 1893 (S. 47) entschieden, jedoch nicht in
befriedigender Weise, nämlich die Frage, ob der Veräußerer eines
Geschäfts befreit ist, wenn der Erwerber die Passiva übernommen
hat und der Gläubiger nachträglich die ihm obliegende Leistung
aus dem zweiseitigen Vertrag an den Erwerber gemacht hat.
Die Entscheidung des R.G.Bd. l9 S. 253 hatte in solchem
Falle den Veräußerer, weil an ihn nicht geliefert sei, und weil
zweiseitigen Verträgen ein synallagmatischer Charakter inne-
wohne, für befreit erklärt. In meinem Kommentar zum H.G.B.
§ 14 zu Art. 22 hatte ich mich hiergegen gewendet, weil ja
der Erwerber die Aktiva übernommen habe und damit auch
das Recht auf Erfüllung, der Gläubiger aber dadurch
nicht den ersten Schuldner aus der Haftung entlassen habe,
daß er an den Erwerber liefert, der ja durch den Erwerb der
Aktiva ein Recht auf die Lieferung erlangt habe. In der
oben gedachten neuerlichen Entscheidung erkennt das Reichsgericht
im Allgemeinen diesen Standpunkt an, giebt also, ohne es zu-
zugestehen, seine prinzipiell abweichende Ansicht im 19. Bande
auf; es will jedoch von seiner früheren Ansicht noch so viel
retten, daß es sagt, wenn der Gläubiger dem Erwerber bei
der Lieferung Kredit gewähre, so sei dadurch der erste Schuldner
entlassen. Auch das kann aber als richtig nicht zugegeben
werden, da der Gläubiger den einen Solidarschuldner aus der
Haftung nicht dadurch entläßt, daß er dem anderen Nachsicht
gewährt.
3) Die Entscheidung vom 3. Mai 1893 (S. 59) ist für
das Rechtsverhältniß der Agenten von mehrfacher Bedeutung.
Einmal schon deshalb, weil sie sich überhaupt mit diesem von
der Gesetzgebung, Judikatur und Wissenschaft so sehr vernach-
lässigten Verhältniffe beschäftigt. Sodann aber, weil sie eine
Definition dieses Verhältnisses enthält, die ich für um so zu-

Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer