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vr Kühne,
Privatangelegenheiten der Parteien nicht zu rechtfertigen sein. —
Ob den Gerichten das Recht zusieht, in einem lediglich rechts-
polizeilichen Interesse (damit die gerichtlichen Depositorien nicht
mit hinterlegten Geldern und anderen Sachen überfüllt wer-
den) offenbar abwegige Anträge auf Annahme zur gerichtlichen
Verwahrung zurückzuweisen, ist hier nicht zu erörtern.
Wenn aber nach dem römischen und dem heutigen gemei-
nen Rechte die Deposition nur von der Entschließung des Schuld-
ners abhängig ist, so sollte man glauben, daß die Antwort auf
die Frage: ob die geschehene Deposition den Schuldner von
seiner Verpflichtung befreit hat, weil eine justa caussa depo-
sitionis vorlag? nach festen Grundsätzen zu beurtheilen sei. Es
kommt zwar vor, daß der Richter die Verurtheilung. eines
Schuldners von Kautionen abhängig machen darf, welche er
dem Gläubiger zur Sicherung des Schuldners auserlegt, und
daß das freie Ermessen des Richters darüber entscheidet, ob er
eine solche Kaution fordern will; aber der Richter kann korrek-
ter Weise nicht einer Handlung die Wirkung der Erfüllung einer
Obligation nach seinem Ermessen beilegen, welche diese Wir-
kung nicht schon vermöge des Gesetzes hatte. Ist dies richtig,
so müssen bestimmte, ein für alle Male gültige Rechtsgrundsätze
darüber entscheiden, ob eine von dem Schuldner deshalb be-
wirkte Deposition, weil subjektive Ungewißheit des Gläubigers
vorlag, geeignet war ihn von seiner Verbindlichkeit zu befreien.
Bedenkt man, daß die von uns sogenannte subjektive Un-
gewißheit des Gläubigers stets auf der Rechtsunwisienheit des
Schuldners beruht, so sollte man ferner meinen, daß die Ant-
wort auf jene Frage nahe liege, daß sie sich ergäbe aus dem
Grundsätze, welchen Paulus in L. 9 pr. D. de juris et facti
ignorantia (22, 6) ausspricht:
Regula est, juris quidem ignorantiam cuique nocere, facti
vero ignorantiam non nocere.