Full text: Archiv für Theorie und Praxis des allgemeinen deutschen Handelsrechts (Bd. 17 (1869))

LXXVIII

Das Gesetz vom 21. Juni 1869,

Indessen trägt die Praxis das Correctiv gegen eine allzu formelle
und darum schädliche Auslegung dieses Paragraphen in sich selbst. Um
von § 9 Gebrauch zu machen, bedarf es doch immer einer Anregung
aus dem Schooße des Senates und die Voraussetzung dieser Anregung
ist, daß man weiß und glaubt mit einer früheren Entscheidung wirklich,
d. h. dem Wesen nach, und nicht etwa in Nebendingen dergestalt in
Widerstreit zu treten, daß die Einholung eines Plenarbeschlusses
nothwendig erscheint.
Aus der vorliegenden Bestimmung folgt mittelbar, daß die Ent-
scheidungen der Senate und vollends die Plenarbeschlüsse, indem das
Oberhandelsgericht verpflichtet ist, ein förmliches Abgehen von dem-
selben durch Plenarberathung zu constatiren, auch nach außen von
großer Bedeutung sein werden. Jedermann wird daran festzuhalten
haben, daß bis auf förmlichen Wiederruf im Wege des § 9 dieselbe
Meinung über eine gewisse Rechtsfrage in dem Gerichtshöfe anerkannt
bleibt. Im Uebrigen ist den Präjudizien des Oberhandelsgerichts
nach außen keinerlei formale Autorität beigelegt. Ihr Ansehen ruht
nur auf ihrem materiellen Werth. Allein es erhellt, daß das Ver-
hältniß des Gerichtshofes selbst zu seinen eigenen älteren Entschei-
dungen nothwendig auch auf deren Einfluß nach außen zurückwirkt.
Je bedeutender intensiv und extensiv hiernach die Wirksamkeit
der Präjudizien dieser einheitlichen Oberinstanz sein wird, desto be-
hutsamer wird man mit dem Ausdruck einer entscheidenden Ansicht in
zweifelhaften Rechtsfragen zu Werke gehen müssen. Es folgt daraus
mit innerer Nothwendigkeit, daß die Entscheidungsgründe eines jeden
Erkenntnisses collegialisch sestgestellt und, um dieß zu ermöglichen,
möglichst kurz und bündig gefaßt werden müssen.
Andererseits führt gerade die Betrachtung des § 9 recht deutlich
darauf hin, wieviel, zumal in solchen Materien, welche bis jetzt noch
nicht codificirt sind, durch die Praxis eines solchen Gerichts mittelst
der Autorität seiner Präjudizien der positiven Gesetzgebung erspart
werden kann.
§10.
Zur Praxis bei dem Bundes-Oberhandelsgerichte,
einschließlich der zur Instruction dienenden Handlungen
(§§ 17. 18), sowie zur Niederlassung am Sitze jenes Ge-
richtshofes sind alle in einem Staate des norddeutschen

Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer