Full text: Archiv für Theorie und Praxis des allgemeinen deutschen Handelsrechts (Bd. 12 (1868))

Unter d. O -A -G. Lübeck vereinigte Staaten. Art. 356. 453
zeit angesehen werden, und die Beklagten, wenn sie per „Neva" gelie-
fert hätten, würden damit den Vertrag rechtzeitig erfüllt, nicht eine
versäumte Leistung nachgeholt haben.
Die Entscheidung hängt hiernach davon ab, ob die Fristge-
währung, deren der Art. 356 erwähnt, ebenso Bedingung der Scha-
densersatzforderung ist, wie die Anzeige des Contrahenten, daß er
Schadensersatz statt der Erfüllung fordern wolle. Mit anderen
Worten: verpflichtet der Art. 356 den nichtsäumigen Contrahenten,
welcher wegen des Verzuges des anderen Contrahenten die Erfüllung
zurückweiset, nicht blos zu der Anzeige, daß er die Erfüllung ablehne,
sondern macht das Gesetz ihm außerdem zur Pflicht, dem Säumigen
eine Frist zur Nachholung des Versäumten vorzuschreiben, oder will
die zu gewährende Frist nur besagen: daß er sich unter Umständen
die Nachholung des Versäumten gefallen lassen müsse, wenn sich der
Säumige seinerseits bereit erkläre, die Leistung nachträglich innerhalb
einer angemessenen Frist zu beschaffen?
Die Worte des Gesetzes sind geeignet, Zweifeln über ihren Sinn
Raum zu geben, und gewähren auch die Commissionsprotocolle zum
d. H.-G.-B. (vergl. namentlich Seite 1403 und 1404) einen sicheren
Anhalt für die Auslegung nicht. Indessen sprechen folgende Er-
wägungen dafür, daß es nicht die Meinung gewesen ist, dem nicht-
säumigen Contrahenten, welcher Schadensersatz fordern oder vom
Vertrage abgehen will, ein Mehreres aufzulegen, als die Anzeige an
den säumigen Contrahenten.
1. Das deutsche Handelsgesetzbuch will regelmäßig keine neue
Satzungen einführen, sondern geht von den bestehenden Rechtsanschau-
ungen im Verkehrsleben aus. Nun aber war schon vor dem Handels-
gesetzbuche die Ansicht mehr und mehr durchgedrungen, daß der Ver-
zug des Schuldners den Gläubiger berechtige, statt der Erfüllung das
Erfüllungsinteresse zu fordern, und das Handelsgesetzbuch erhob in
dem Art. 356 diese Anschauung zum Rechtssatze. Es machte dabei
dem Nichtsäumigen zur Pflicht, dem Säumigen anzuzeigen, daß er
nicht mehr die Erfüllung wolle. Dieß hatte die Billigkeit für sich,
damit der letztere nicht unnöthig mit der Herbeischaffung des zur
Leistung Erforderlichen belastet bleibe. Sollte aber der Nichtsäu-
mige außerdem noch verpflichtet sein, dem Säumigen eine Frist zur
Erfüllung zu setzen, wiewohl der erstere schon erklärt hatte, erhübe

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