Full text: Archiv für Theorie und Praxis des allgemeinen deutschen Handelsrechts (Bd. 16 (1869))

Bezirk des O.-A.-Gerichts zu Lübeck Art. 740.

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diesem hätte erkannt werden sollen, ist mehrfachen Ausnahmen unter-
worfen, namentlich da, wo Rücksichten der Zweckmäßigkeit für die
Aufrechthaltung des s. g. idensüoiuni primae in8tantiao eintreten.
Wenn aber sogar, wie nach der Praxis des Hamburgischen
Obergerichts, das reformatorische Erkenntniß nach Analogie der s. g.
Ordinationen schon auf einseitigen Antrag, ohne Vernehmung des
Appellaten, erlassen wird, dann erscheint es auch um so nothwendiger,
dasselbe auf diejenigen Punkte zu beschränken, über welche allein be-
reits in erster Instanz entschieden worden ist.
II) Ebensowenig liegt aber auch in den Ausführungen des gegen-
wärtigen Appellationslibells irgend ein Novum vor, welches zur
Zurückweisung der Sache an die erste Instanz geeignet wäre. Denn
wenn der Beklagte
1) jetzt bemüht ist, den Zusammenstoß als ein durch den Kläger
verschuldetes Ereigniß darzustellen, so genügt dawider zu bemerken,
daß, abgesehen etwa von ganz speciellen localen Strompolizeigesetzen,
es keinem Schiffer verboten sein kann, im Fahrwasser zu ankern, wenn
er nur zur Nachtzeit die Laterne gehörig aushängt und daß eine solche
Laterne zu hell geschienen oder zu hoch gehangen habe, wird wohl
noch nie als Polizeiwidrigkeit angesehen worden sein. Ebensowenig
erscheint aber auch
2) die neue Behauptung gerechtfertigt, daß der Böschlootse Jakob
Mohr ein Zwangslootse im Sinne des Art. 740 des H.-G.-B.s ge-
wesen sei. Denn wenn das Gesetz unter diesem Ausdruck jeden
Lootsen verstanden hätte, dessen Annahme der Capitän des Schiffes
für nothwendig gehalten hätte, so würden alle Lootsen, die nicht blos
aus Gefälligkeit als Passagierlootsen aus das Schiff gelassen wur-
den, für Zwangslootsen zu halten sein; daß die angeblichen Privile-
gien aus den Jahren 1786 und 1788, welche in dem Böschrevier dem
Schiffer, wenn er einen Lootsen brauchte, nur eine beschränkte Zahl
von Personen zur Auswahl oder in fester Reihenfolge zu benutzen ge-
stattet haben sollen, dadurch jedenfalls noch keine Zwangslootsen aus
letzteren gemacht haben, liegt eben so sehr am Tage, und wird über-
dieß auch noch durch die Worte „gesetzlich verpflichtet" (S. 1786
der Protocolle) bestätigt.
Es muß also mit den früheren Richtern als feststehend angenom-
men werden, daß der Böschlootse Jakob Mohr, wenn auch ein con-
Archiv für deutsches Handelsrecht. Bd. XVI. 23

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