Letr. die Errichtung eines obersten Gerichtshofes für Handelssachen. V
In den g e n er e l l en Motiven werden nach Anerkennung und Aus-
führung der bereits oben angedeuteten Momente diejenigen Bedenken
zurückgewiesen, welche sich gegen das neue Gesetz erheben lassen.
Das erste Bedenken liegt in der anscheinenden Gefahr, welche
die Errichtung des neuen Gerichtshofes der einheitlichen Recht-
sprechung innerhalb der einzelnen Bundesstaaten zu bringen droht.
Der Gerichtshof wird jedoch keineswegs in letzter Instanz nur Fragen
des Wechsel- und Handelsrechts zu lösen, sondern auch mit Fragen,
welche das particulare Proceßrecht betreffen, sich zu befassen und
außerdem, was besonders ins Gewicht fällt, incidenter über Fragen
zu entscheiden haben, welche das materielle Recht der einzelnen Bundes-
staaten zum Gegenstände haben. Die Möglichkeit liegt nahe, daß
feilte deßfallsigen Entscheidungen von den Entscheidungen der obersten
Landesgerichtshöfe abweichen, woraus gefolgert werden könnte, daß
die einheitliche Indicatur in den Wechsel- und Handelssachen mit der
theilweisen Opferung dieser einheitlichen Judicatur auf noch größeren
Gebieten erkauft werden müsse. Allein es kann diesem Bedenken eine
entscheidende Bedeutung nicht beigelegt werden.
Dasselbe hat nur insofern auf Berücksichtigung Anspruch, als
die Notwendigkeit der Entscheidung über wichtige Streitfragen des
particularen Rechts eintreten kann. Die Fälle, in welchen der neue
Gerichtshof über solche Streitfragen zu entscheiden haben wird,
werden aber nach den in dem Entwürfe sich findenden Competenz-
bestimmungen und nach den bei den Handelsgerichten gemachten Er-
fahrungen die seltenen bleiben. Ferner darf erwartet werden, daß
der gemeinsame Gerichtshof wenigstens bei der Entscheidung der das
particulare Recht im engeren Sinne, im Gegensatz zu dem in mehreren
Bundesstaaten gemeinschaftlich geltenden Recht, betreffenden Contro-
vechen die Präjudizien der obersten Landesgerichte gebührend beachten
werde. Endlich können die von solchen Präjudizien abweichenden
Jncidententscheidungen des gemeinsamen Gerichtshofes nach der Natur
der Dinge die gleichmäßige Entwickelung des particularen Rechts
durch die Judicatur der obersten Landesgerichte nur unbedeutend
stören.
Ein zweites Bedenken bezieht sich auf die Zeitgemäßheit des
Gesetzes. Der neue oberste Gerichtshof, welcher gegründet werden
soll, wird bei der Lösung der ihm zufallenden Aufgabe mit einigen