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Königreich Preußen. Art. 301.
In Bezug auf die kaufmännischen Verpflichtungsscheine enthält
Art. 301 H.-G.-B. nur die beiden besonderen Bestimmungen, daß
zu ihrer Gültigkeit die Angabe eines Verpflichtungsgrundes oder des
Empfangsbekenntnisses der Valuta nicht erforderlich ist, und daß sie
durch Indossament übertragen werden können, wenn sie an Ordre
lauten. Die letztere dieser Bestimmungen muß vorliegend schon von
selbst außer Betracht bleiben, da der Schein vom 11. Juli 1863
nicht an Ordre lautet, und kann auch die erstere derselben hier nur
insoweit zur Anwendung kommen, als der Umstand, daß jener
Schein die Angabe eines Verpflichtungsgrundes oder das Bekenntniß
baar empfangener Valuta nicht enthält, an sich seiner Gültigkeit nicht
entgegensteht. Hieraus folgt aber keineswegs, daß, wie vom Appel-
lationsrichter angenommen worden, die Ausstellung jenes Verpflich-
tungsscheins an sich als ein einen selbstständigen Verpflichtungs-
grund enthaltender Formalact anzusehen ist und daß deshalb'auf die
der Ausstellung zum Grunde liegenden Verhandlungen nicht zurück-
gegangen werden darf, indem der Aussteller lediglich aus dem
Grunde, weil von ihm der Schein ausgestellt worden, unbedingt zur
Zahlung für verpflichtet erachtet werden muß.
Von einer solchen unbedingten Verpflichtung des Ausstellers
kann namentlich in dem Falle, wo wie hier der Verpflichtungsschein
nicht an Ordre lautet und derselbe sich noch in den Händen des
ersten Inhabers befindet, gar keine Rede sein. In diesem Falle ist
es vielmehr unzweifelhaft, daß dem Aussteller des Scheins gegen-
über dem ersten Inhaber die Geltendmachung materieller Einreden
aus dem unterliegenden Verhältnisse, worüber der Schein ausge-
stellt worden, zugestanden werden muß, — siehe die Nürnberger
Commissionsprotocolle, S. 1329 — und daß deshalb ein Zurück-
gehen auf die der Ausstellung zum Grunde liegenden Verhandlungen
vollkommen Platz greifend ist.
Der Appellationsrichter hat mithin unter Verletzung des Art.
301 H.-G.-B. darin gefehlt, daß von ihm die Erhebung des von dem
Verklagten über die von ihm aus dem der Ausstellung des Scheins
unterliegenden Verhältnisse entnommenen Einwendungen ange-
tretenen Beweises lediglich um deswillen abgelehnt worden, weil auf
die der Ausstellung zu Grunde liegenden Verhandlungen nicht zurück-
gegangen werden dürfe. Kz.