Full text: Archiv für Theorie und Praxis des allgemeinen deutschen Handelsrechts (Bd. 25 (1872))

Entscheidungen des R.-O.-H.-G. in Handels- u. Wechselsachen. 635
Mit Recht ist Bl. hervorgehoben, daß eine Aufklärung der
Widerbeklagten über den eventuellen Vermögensstand der Firma
Blauhut und Wiener Seiten der Inhaber der letzteren nach all-
gemeinem Geschäftsbräuche nicht zu erwarten war. Der allgemeine
Grundsatz, daß Jeder um die Verhältnisse seines Mitcontrahenten
sich zu kümmern hat (1. 19. pr, T). de reg. jur.), gilt auch für
den Handelsverkehr und so gewiß daher Jeder, welcher von seinem
Mitcontrahenten Aufschluß über dessen Verhältnisse ausdrücklich
verlangt, wahrheitsgemäße und getreue Auskunftsertheilung zu er-
warten berechtigt ist, so wenig kann doch der Mitcontrahent an
s i ch für verpflichtet gelten, mit derartigen Mittheilungen unaufge-
fordert und freiwillig dem andern Theile entgegenzukommen. Die
getreue und vollständige Erfüllung solcher Verpflichtung wäre um
so schwieriger, als die Erwägung, ob und in welcher Richtung und
Ausdehnung die Bekanntschaft mit den einschlagenden Verhält-
nissen und Zuständen für Jemanden bestimmend beim Vertrags-
abschlüsse sei, der Natur der Sache nach oft auf rein subjectiver
Anschauung beruht, mithin jene Auskunftsertheilung, um dem Ge-
gentheil in keiner Beziehung irren lassen, auf alle nur irgend
denkbaren Seiten dieser Anschauung sich erstrecken müßte.
Selbst der zur Zeit des in Rede stehenden Ver-
trags- oder Geschäfts-Abschusses vorhandene Zustand
der Unfähigkeit zur Leistung des betreffenden Objects, welche die
Widerbeklagten im vorliegenden Falle behaupten, kann weder als
ein objectiv so schlechthin untrügliches, noch subjectiv stets so sicher
erkennbares Moment für die Voraussetzung zu künftiger Ver-
tragserfüllung betrachtet werden, daß demjenigen, welcher seinen
Mitcontrahenten davon unaufgefordert in Kenntniß zu setzen unter-
läßt, ohne Weiteres die Benutzung eines von diesem gehegten Jrr-
thums zur Last gelegt werden dürfte. Bei consequenter Durch-
führung der entgegengesetzten Rechtsanschauung würde jedes Rechts-
geschäft, bei dessen Eingehung die Betheiligten nicht die subjectiv
wohlbegründete und objectiv vollkommen gesicherte Ueberzeugung
gehabt hätten, den ihnen obliegenden Leistungen seiner Zeit un-
fehlbar genügen zu können, der Anfechtung auf Grund eines von
dem einen Theile benutzten Jrrthums des andern ausgesetzt sein.
Wie sehr aber die Sicherheit des allgemeinen und insbesondere

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